Im Sommer, wenn die Nächte lang und die Temperaturen lau sind, zieht es die Menschen zum Kulturgenuss aufs Land. Mit welchen Angeboten die Veranstalter den modernen Medien Konkurrenz machen, lesen Sie hier.
Wenn in den großen Schauspielhäusern in den Städten die Vorhänge fallen und die Sommerpause beginnt, eröffnet sich dem kulturaffinen Publikum auf dem Land eine bunte Auswahl an Theater und Musikangeboten. Sie bieten Gelegenheit, der urbanen Hitze zu entfliehen und sich – oft auch unter freiem Himmel – unterhalten und inspirieren zu lassen. Auch für die Veranstalter ist der sommerliche Kulturreigen ein Gewinn: Er belebt auch strukturschwache Regionen und macht so manche Gemeindekasse voller.
Das Sommertheater erlebte seine Hochblüte um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts im Zusammenhang mit der Sommerfrische- und Bäderkultur. Neben dem Baden und Wandern war auch das Kulturerlebnis ein fester Bestandteil des Aufenthalts in Bergund Seenregionen. So bescherte zum Beispiel die Eröffnung der Eisenbahnlinie Wien–Gloggnitz dem Ort Reichenau an der Rax einen ungeahnten Aufschwung. Der große Besucherzustrom ebbte mit dem Ende der Monarchie ab, doch Veranstaltungen wie die Festspiele Reichenau, die jährlich etwa 40.000 Besucher anziehen, halten die kulturelle Tradition am Leben.
Ob leichte Komödie oder anspruchsvolles Drama: In den letzten Jahren ist das Angebot an ländlichen Kulturangeboten im Sommer umfassender und vielfältiger geworden. Mancherorts präsentierten sich die Veranstaltungen als Gipfeltreffen von Branchenstars der Hochkultur, andere Standorte sichern sich über die Atmosphäre an außergewöhnlichen Standorten – etwa in Steinbrüchen oder am Seeufer – die Aufmerksamkeit der Kulturliebhaber. Mit dem landesweiten Theaterfest hat sich Niederösterreich einen Namen gemacht. Da laden saisonal bespielte Open-Air-Bühnen in Burghöfen und Schlossparks, vor Ruinen und Kirchen genauso zum Kulturgenuss ein wie feste Häuser, die spezielle Sommerprogramme anbieten. Das Theaterfest Niederösterreich fand erstmals im Jahr 1996 mit 14 Spielstätten statt. Heute verzeichnen 23 Bühnen insgesamt fast 230.000 Gäste pro Saison. Die Zahl der Open-Air-Bühnen sei in den letzten Jahren aufgrund der Wetterunsicherheit gesunken, verrät Werner Auer, Obmann des Theaterfests. Denn neben der Gefahr von Ausfällen aufgrund von Regen stellen Freiluftbühnen auch hohe Ansprüche an die Regie und die Kostüme, die Wind und Wetter standhalten müssen.
Das Kulturerlebnis ist oft Anlass für einen Ausflug oder Kurzurlaub in Niederösterreich. Das Theaterfest wirkt daher nicht nur als kultureller Nahversorger, sondern – besonders in strukturschwachen ländlichen Regionen – als wichtiger touristischer Impulsgeber. Die Felsenbühne Staatz etwa trägt wesentlich zur positiven Tourismusentwicklung im Weinviertel bei und hat die Region neu belebt. Oft braucht es ein wenig Zeit, bis die Produktionen in der dörflichen Gemeinschaft ihren Platz gefunden haben – denn besonders in kleinen Orten, die das ganze Jahr über ruhig und beschaulich sind, ist der sommerliche Besucheransturm für die Einwohner meist ungewohnt. Wenn sich nach den ersten Saisonen die positiven Effekte zeigen, entsteht aber ein neues Gemeinschaftsgefühl, von dem alle profitieren, so Auer.
Zu den großen Anliegen des Theaterfests zählt es, die Jugend für das Theater zu begeistern: Gerade die junge Generation sei heute durch die modernen Medien sehr „effektverwöhnt“, der Bezug zum Theater fehle oft, meint Auer. So zähle das Theaterfest heute bereits sechs Produktionen für Kinder und Jugendliche, die sich großer Nachfrage erfreuten – darunter etwa das interaktive Wandermärchentheater in Poysbrunn im Weinviertel oder kinderfreundliche Operninszenierungen in Klosterneuburg. Auch die Qualität hochzuhalten sei eine wichtige Aufgabe. Denn der Wettbewerb sei groß, das Angebot wachse schneller als das theaterinteressierte Publikum. Zudem seien die Gäste wählerischer geworden ist und die Stammgastbindung weiche auf, erklärt Auer.
Auch das Burgenland ist für sein reiches sommerliches Kulturangebot bekannt. Die Gäste sind vorwiegend Genussurlauber, die das Kulturerlebnis mit Radfahren oder Kulinarik, etwa Angeboten rund um den Wein, verbinden. Reiseveranstalter haben Bustouren zu den bekanntesten Spielstätten, etwa den Seefestspielen Mörbisch und dem Steinbruch St. Margarethen, im Programm. Kommen die Gäste sonst vorrangig aus Wien, Niederösterreich und Oberösterreich, bringen die Reiseveranstalter auch Besucher aus Deutschland ins Burgenland. Die Regionen profitierten auch von zahlreichen kleineren, aber durchaus erfolgreichen Initiativen, die Nächtigungen generierten, erzählt Hannes Anton, Geschäftsführer von Burgenland Tourismus. Darunter etwa das Festival jOPERA in Jennersdorf, das 2015 knapp 9.000 Gäste in die 4.200-Einwohner-Gemeinde gebracht habe.
Landauf, landab zeigen im Sommer auch passionierte Laienschauspieler ihr Können. Im Rahmen der Schlossbergspiele im Tiroler Rattenberg beispielsweise kommen seit 1954 jährlich neue Produktionen zur Aufführung, bei der sämtliche Darsteller ehrenamtlich dabei sind. Pro Saison ziehen die Schossbergspiele rund 6.000 Besucher an, die vorwiegend aus der Region kommen. Sämtliche Stücke sind Auftragswerke, die bei Tiroler Regisseuren und Autoren in Auftrag gegeben werden. Die größte Herausforderung ist das Wetter: Die Veranstalter müssten damit rechnen, dass ein Drittel der Termine ins Wasser falle, erzählt die Obfrau des Theatervereins Claudia Lugger. Wenn das Wetter mitspiele, biete die Atmosphäre der Freiluftbühne vor der mystisch beleuchteten Burgruine ein unvergessliches Erlebnis.