ÖW Chief Digital Officer Reinhard Lanner über seine Erkenntnisse aus dem Trip ins „europäische Silicon Valley“ in Irland.
Anfang Juli durfte ich gemeinsam mit einer hochkarätigen Runde aus 25 Touristikerinnen und Touristikern nach Dublin reisen und die aktuellsten Entwicklungen im Bereich Digitalisierung live erleben. Unter dem Motto „Heading for the Future of Tourism Marketing“ organisierte die Österreich Werbung gemeinsam mit der Außenwirtschaft Austria exklusive Besuche in die europäischen Headquarters von Google und Facebook, der Firmenzentrale von Ryanair sowie einigen irischen Startups.
Im Mittelpunkt der Reise standen drei Themen, die den Tourismus mit Blick auf die nächsten 3 bis 5 Jahre beschäftigen werden: Wie wir in Zukunft kommunizieren, Interfaces der Zukunft und Data Driven Marketing (mehr zu diesen Themen erfahren Sie in den Podcasts rechts zum Download).
Gemeinsam mit Andreas Wochenalt, ÖW-Teamleiter Innovation & Kampagnen, haben wir gleich im Anschluss an die Termine kurze Recap-Videos mit den wichtigsten Erkenntnissen und Learnings für den Tourismus aufgenommen.
3.200 Mitarbeiter arbeiten im europäischen Facebook-Headquarter. Bis Anfang 2020 sollen es 8.000 sein. Besonders auffallend ist die Heterogenität und Diversität der Belegschaft. „Be bold. Be open“ – mutig und offen wünscht sich Marc Zuckerberg seine Leute und stellt eine Frage, die sich auch Österreichs Tourismusunternehmer und deren Mitarbeiter öfter stellen sollten: „Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?“ Dabei entstehen dann neue Ideen wie die Facebook Hotel Search, die uns exklusiv vorgestellt wurde.
Google beeindruckte die Reiseteilnehmer mit einer großartigen Kantine, sowohl in Bezug auf das Ambiente als auch auf den Speiseplan. Der exklusive Blick in die Zukunft von Assistant und Voice war es freilich, der die Teilnehmer am meisten begeisterte. Derzeit stehen wir am Anfang der Verschiebung von „Transactional Commerce“ hin zu „Conversational Commerce“. Wie früher am Bazar zwischen Menschen, werden Gespräche künftig auch mit Maschinen erfolgen und eine weiter Verkaufsmöglichkeit darstellen. Was genau das für Hotels und Destinationen bedeutet, ist noch nicht klar. Jedenfalls wird die strategische Trennung zwischen Backendsystemen und Frontendsystemen zukünftig essentiell.
Diese einfache und klare Botschaft ist das Erfolgsrezept von Ryanair. Die extreme Preisfokussierung machte die Fluglinie zum Marktführer in Europa. Die nächsten Jahre wird Ryanair voll auf die Chancen der Digitalisierung setzen, verriet uns Kenny Jacobs, Chief Marketing Officer. Unter dem Motto „The Amazon of Travel“ bietet die Airline im Direktvertrieb neben Flügen auch noch Mietautos, Reiseführer, Aktivitäten und sogar Sonnencreme an.
Zum Abschied gab er noch uns noch einen Wunsch mit auf den Weg: „Don‘t forget to lower the airport fees!“ – Flughafengebühren senken nicht vergessen.
„Alles, was sich wiederholt, wird digitalisiert.“ So einfach erklärte Niamh Bushnell, CEO von TechIreland, den Erfolg von OTAs und Flugportalen, Reservierungsplattformen für Reiseführer und Restaurants. „Serve the Irish Innovation Community“ ist die Mission der Non-Profit Organisation. Rund 1.200 irische Startups sind detailliert nach Gründungsjahr, Branche, Fundingphase etc. in einer Datenbank erfasst. Das Onlineverzeichnis bietet eine Übersicht sowohl für Community Building als auch für Investoren auf der Suche nach neuen Investitionschancen.
Die Zahl der Kinder, die nicht lesen können, hat sich innerhalb von zwei Jahren verdreifacht, sagt Luca Boschin, CEO von LogoGrab. Woher er diese Zahl hat, sagt er nicht. Dass visuelle Inhalte im Netz immer wichtiger werden, ist aber unbestritten. Seine Firma hat eine Software entwickelt, die Logos von Unternehmen automatisch erkennt. Nachdem bereits heute mehr als 80 Prozent der Inhalte im Web visueller Natur sind, eine interessante Anwendung. Alles, was Logograb benötigt, ist der Name des Unternehmens/der Marke und die URL der Webseite. Alles andere macht die Software, innerhalb von 3 Minuten. Aus den Ergebnissen können Unternehmen erkennen: In welchem Kontext taucht das Logo auf oder zu welchen Zeiten und noch einiges mehr.
Möglicherweise macht das strategische Anbringen von Logos auf Servietten, Bademänteln und Kaffeetassen zukünftig noch viel mehr Sinn. Aber nur, wenn es ein „schönes“ Logo ist.
Haben Sie schon mal einen Flug gebucht und dann wurde ihnen ein Mietwagen angeboten? Dieser Vorschlag kam höchstwahrscheinlich vom b2b-Softwareanbieter CarTrawler. Umsatzerhöhung ist deren Spezialgebiet. Das System ist weltweit bei den Onlineauftritten von 100 Airlines und 2.000 Transferanbietern wie Taxi- und Busunternehmen, Chauffeurservices etc. im Einsatz.
Der Vorteil für die Partner: Über eine Schnittstelle können sie ihre Zusatzleistungen in 50.000 Locations anbieten. Der Standort bestimmt das Angebot an die „Blue-Dot-Traveller“ – so nennt Lia Bresnihan den neuen Typ von Reisenden in Anlehnung an den blauen Punkt auf der Karte am Mobiltelefon.
Die Daten von einer Milliarde Flugpassagieren pro Jahr führen das Marketplace-Konzept von CarTrawler zum Erfolg. Und das Unternehmen ist nur ein Beispiel, wie wichtig es künftig sein wird, Zugang zu solchen globalen Systemen zu haben – egal ob für Unternehmen oder Destination.
Kann man mathematisch vorhersagen, wohin Menschen als nächstes reisen, welches Hotel sie buchen und wie zufrieden sie damit sein werden? „Ja“ sagt Silviu Proteasa, Gründer des Portals Travel Open Partnership und erklärte dies mit Beispielen aus Verhaltensökonomie, Spieltheorie und Mathematik. Er erklärte, dass Modelle sozialer Verhaltensmuster (zum Beispiel das 80:20-Prinzip) auch für Reisen anwendbar sind.
ÖW-Kollegin Gisela Geweßler hat ein unglaublich abwechslungsreiches Programm gestaltet. Danke auch an Wilhelm Nest von der Aussenwirtschaft Austria für die perfekte Organisation vor Ort.
Während der spannenden zwei Tage in Irland wurde wieder klar: In den meisten Fällen führt an den großen Playern wie Google und Facebook kein Weg vorbei. Deren Dienste gilt es intelligent zu nutzen. Dennoch vermittelten die leidenschaftlichen Vertreter der Startups bei allen Teilnehmern das Gefühl, dass in der Nische noch unglaublich viele neue Geschäftschancen liegen. Einige Teilnehmer der Zukunftsreise sind sogar mit ganz konkreten neuen Ideen nach Hause gefahren, auf jeden Fall aber mit spannenden Learnings.
Für mich haben sich drei mögliche Erfolgsstrategien im Tourismus herauskristallisiert: Budgets bündeln, um höhere Reichweiten zu erzielen. Spezialisieren und Nischen individuell bearbeiten. Oder weder das eine noch das andere tun und sich völlig verlaufen. Die Tech-Gurus in Dublin würden es wahrscheinlich direkter formulieren: Get big, get niche or get lost.