Glasklare Seen, sprudelnde Quellen und Trinkwasser aus der Leitung: Österreich ist ein Wasserparadies. Auch im touristischen Angebot spielt Wasser eine elementare Rolle. Das bu//etin hat recherchiert, wie Tourismus und nachhaltige Wassernutzung Hand in Hand gehen.
Wasser ist nicht nur Lebensgrundlage, es hat auch eine emotionale Dimension. Das Plätschern eines Bachs, der Blick aufs Meer – die Nähe von Gewässern beruhigt, inspiriert. Woher unsere Sehnsucht nach Wasser kommt, darüber ist sich die Wissenschaft uneins. Der Evolutionsbiologe Neil Shubin vermutet die Ursache in unserer Psyche. Sein Kollege Carsten Niemitz ist überzeugt: Die Affinität des Menschen zum Wasser ist genetisch bedingt. Fest steht: Wasser zieht uns magisch an. Und: Österreich hat jede Menge davon.
Die durchschnittliche Niederschlagsmenge pro Jahr beträgt hierzulande 1,2 m. Zum Vergleich: 0,9 m sind es in Portugal und 0,2 m in Usbekistan. Die Berge wirken als gigantische Wasserspeicher. Sie sichern den Wasserhaushalt auch für die kommenden Jahrzehnte – und unser Privileg, zu jeder Zeit sauberes Wasser aus der Leitung trinken zu können.
Auch Österreichs Tourismus baut auf die wertvolle Ressource auf: Ob als Thermalwasser im Kur- und Bädertourismus, als Eis und Schnee im Wintertourismus oder als landschaftsgestaltendes Element in der Natur: Wasser spielt bei den meisten Angeboten eine tragende Rolle.
Das spiegelt sich in den Urlaubsaktivitäten der Gäste wider. Laut der deutschen Reiseanalyse 2017 haben 90 Prozent der deutschen Gäste 2016 in ihrem Urlaub in Österreich eine oder mehrere Aktivitäten am Wasser unternommen. Jeder zweite deutsche Besucher war am Wasser spazieren, besuchte Restaurants und Kaffeehäuser am Wasser oder erfreute sich einfach am herrlichen Ausblick aufs Wasser. Für ein Viertel der Reisenden zählen laut Gästebefragung T-MONA die Seen zu den Entscheidungsgründen für Urlaub in Österreich. Naturattraktionen wie Wasserfälle sind für
20 Prozent, Thermen- und Erlebnisbäder für elf Prozent der Reisenden wichtige Faktoren bei der Wahl ihres Urlaubsziels.
Die individuelle Bedeutung von Wasser hängt stark vom Herkunftsmarkt ab. Die Schweizer beispielsweise verbringen ihre Freizeit gerne am und im Wasser – Schwimmen ist die drittbeliebteste Sportart des Landes – und schätzen sauberes Trinkwasser. In Frankreich ist Wasser ein Lifestyle-Produkt: Für Markenprodukte mit einer extravaganten Verpackung und einer exotischen Herkunft greifen die Franzosen auch gerne tiefer in die Tasche. In Deutschland ist die Affinität zum Urlaub am Wasser besonders groß: Jeder zweite Deutsche möchte laut Reiseanalyse 2017 seine Ferien am Wasser verbringen. Je jünger der deutsche Gast, desto höher ist die Bedeutung des Themas Wasser im Urlaub.
Mit seinem Wasserreichtum punktet Österreich aber am meisten bei Gästen aus heißen und trockenen Regionen. Für Gäste aus Indien oder den arabischen Ländern ist unser Leitungswasser eine Kostbarkeit. Seen und Gletscher faszinieren sie. Und sie sind wahrscheinlich die einzigen Gäste, die sich über Regentage regelrecht freuen.
Österreichs Gewässer sind ökologisch intakt, deshalb sind sie als Lebens- und Freizeitraum überhaupt erst attraktiv. Das war nicht immer so. Noch in den 60er-Jahren machten Belastungen aus der Landwirtschaft den Gewässern zu schaffen – deutlich erkennbar an der leuchtgrünen Algenblüte in zahlreichen Seen. Ein Problem nicht nur für die Umwelt, sondern auch für den Tourismus. Im Rahmen der Seensanierung in den späten 60er- und frühen 70er-Jahren wurden das Kanalnetz und biologische Abwasserreinigungsanlagen ausgebaut und die Belastung der Fließgewässer wurde reduziert. Heute punkten 95 Prozent der österreichischen Flüsse und Seen mit exzellenter Wasserqualität.
Heute dominieren andere Themen den Diskurs, allen voran die Verbauung der Seeufer. In intakten Uferzonen würden die Pflanzen Nährstoffe aus dem Wasser filtern und dafür sorgen, dass nach Regenfällen Schwemmwasser nicht ungefiltert in den See gelangt, erklärt Roswitha Fresner vom Kärntner Institut für Seenforschung. So bleibe das Wasser klar und frei von Algen und Parasiten. „Besonders an Plätzen, die intensiv touristisch genutzt werden, gerät die Umwelt unter Druck“, so die Expertin. Denn vielerorts hätten Sträucher und Schilfgürtel für Sandbänke und Liegewiesen Platz gemacht. Wenn große Teile von Seeufern in privater Hand seien, konzentriere sich die stetig wachsende Zahl von Erholungssuchenden auf kleine Flächen. Häufig würden die Besucher auch die Wasservögel füttern, was sich negativ auf die Wasserqualität auswirke, erläutert Fresner.
Natur statt Beton An Flüssen und Bächen, die über Jahrzehnte hinweg in enge Betonkorsette gezwängt wurden, lautet das Gebot der Stunde: Renaturierung. So investiert allein das Land Niederösterreich heuer 27 Millionen Euro in die Ökologisierung von Fließgewässern. Das Land Oberösterreich macht sich mit einer Förderung für Uferrückbauten an den Seen stark. Unter dem Dach der Gewässerschutzkommission für den Bodensee (IGKB) setzen sich Österreich, Deutschland und die Schweiz gemeinsam dafür ein, die Uferzonen sowie die Fluss- und Bachmündungen in einen natürlichen Zustand zu bringen. Rund 1,4 km Bodenseeufer wurden in den vergangenen fünf Jahren ökologisch aufgewertet. Ein Prozess, der nicht nur der Natur einen Mehrwert bringt, sondern auch den Menschen neue Möglichkeiten in der Freizeitgestaltung eröffnet. Die renaturierten Flächen können sanft touristisch genutzt werden – etwa für Lehrpfade, Radrouten und Wildwasser-Angebote wie Kanufahren.
Der Tourismus ist eine ressourcenintensive Branche. Gastronomie und Hotellerie, Schwimmbäder, Wasserparks und Golfanlagen benötigen große Wassermengen. Vor allem in südlichen Ländern mit knappen Ressourcen droht ein sogenannter Wasserstress. Oft geht die intensive Nutzung auf Kosten der einheimischen Bevölkerung, die um ihr Trinkwasser bangen muss.
Auch im Wasserparadies Österreich bedarf es konsequenter Bemühungen, um die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung zu managen. Der Frischwasserverbrauch eines Hotels liegt bei rund 350 Liter pro Zimmer und Tag. Am meisten Wasser wird zwischen 8 und 9 Uhr morgens verbraucht. Es gibt aber auch saisonale Schwankungen. Im Bundesland Tirol zum Beispiel steigt der Wasserverbrauch im Winter merkbar an. Gründe sind das erhöhte Gästeaufkommen, die Beschneiung und der Thermentourismus. „Für Städte und Kommunen ist das eine enorme Herausforderung“, erzählt Stefan Wildt von der Abteilung Wasserwirtschaft im Amt der Tiroler Landesregierung. Die Kapazitäten der Kläranlagen müssten nach der Maximallast zu Stoßzeiten dimensioniert werden. Laufe hingegen in den Sommermonaten oder Übergangszeiten wenig oder gar kein Wasser durch die Leitungen, könne das zu Keimbildung führen. Laufende Überprüfung und Wartung seien daher essenziell.
Nutzen und schützen Der Tourismus kann viel dazu beitragen, die wertvolle Ressource für die Zukunft zu erhalten. Einen Beitrag zum Schutz der Gewässer leisten Hotel- und Restaurantbetriebe etwa mit wassersparenden WC-Spülkästen, Durchflussregulierungen bei Wasserhähnen und der Trennung der Abwasserströme. Gefragt sind auch sanfte Tourismusangebote, die Bewusstsein für die Bedeutung des Lebensraums Wasser schaffen.
Jürgen Schneider, Experte beim Umweltbundesamt, warnt: „Mit dem Klimawandel kann Wasserknappheit auch in Österreich ein Thema werden.“ Auch die Anzahl der Hochwasser könne in Zukunft steigen, befürchtet Schneider.
Naturnah gestaltete Zonen rund um die Gewässer bieten auch vor diesen Ereignissen einen wirksamen Schutz. Deshalb sind Investitionen in Gewässerreinhaltung und Renaturierung wichtige Investitionen in die Zukunft. Schneider: „Eine hohe Wasserqualität ist die Voraussetzung für erstklassiges Trinkwasser, ungetrübtes Badevergnügen und einzigartige Naturerlebnisse. Davon kann der Tourismus nur profitieren.“