Auf Natur bauen

Auf Natur bauen

Als sinnliches und nachhaltiges Material erlebt Holz in der Architektur ein Revival.
Welche Vor- und Nachteile der Baustoff in der Hotellerie mit sich bringt.

Das weltweit höchste Holz-Hochhaus entsteht derzeit in der Seestadt Aspern in Wien. Entlang eines schmalen Betonkerns ragen 24 Stockwerke mit einer Gesamthöhe von 84 Metern empor. Insgesamt besteht das Hochhaus zu rund 75 Prozent aus Holz, eine absolute Neuheit. Der erste Gebäudeteil wurde im März eröffnet, 2019 wird der Rest des Baus fertiggestellt. Dann soll es neben Büros, Appartements und einem Restaurant auch ein Hotel im Hochhaus geben.

Auch wenn es bisher noch kein Holzhotel so hoch hinausgeschafft hat: Holz hat in der Hotellerie eine lange Tradition. Das Material strahlt eine besondere Heimeligkeit und Wärme aus und verleiht den Räumen eine gemütliche Atmosphäre – nicht nur der rustikalen Almstube, sondern auch dem modernen Hotelzimmer. Das wachsende Bedürfnis der Menschen, sich mit natürlichen Materialien zu umgeben, beschert der Holzarchitektur eine neue Blütezeit.


"Der Gast setzt heute voraus, dass Betriebe sorgsam mit Ressourcen umgehen."


NACHHALTIGER BAUSTOFF

Der Trend zur Nachhaltigkeit begünstigt den Aufschwung des Holzbaus. Nachdem die Bäume beinahe emissionsfrei gefällt werden, dienen sie über Jahre hinweg als sichere CO2-Speicher und können der Natur, einmal ausgedient, bedenkenlos zurückgeführt werden. Das Holz-Hochhaus in Aspern beispielsweise spart im Vergleich zu einem reinen Stahlbeton-Bau dieser Größenordnung insgesamt rund 2.800 Tonnen Kohlendioxid ein. Holz aus heimischen Wäldern, von Betrieben aus der Umgebung verarbeitet, trägt auch zu einer besseren Zusammenarbeit in der Region bei.

GRÜNES ENGAGEMENT SICHTBAR MACHEN

Immer mehr Hoteliers setzen auf den Baustoff Holz. Etwa das „Das Posthotel“ im Zillertal, wo die Besucher nach Wunsch im Fichten-, im Eichen- oder im Zirbenstockwerk übernachten können. „Vor fünf Jahren war die Holzbauweise noch einer der Hauptgründe, um unser Haus zu besuchen. Wir hatten damit ein Alleinstellungsmerkmal“, meint Christina Egger, Geschäftsführerin. Das hat sich geändert. Immer mehr Betriebe bemühen sich, ihren ökologischen Fußabdruck klein zu halten, und machen ihre nachhaltige Linie mit Holz sichtbar. „Der Gast setzt heute voraus, dass Betriebe sorgsam mit Ressourcen umgehen“, so Egger.

FERTIG ANGELIEFERT

Ein wesentlicher Vorteil der Holzbauweise liegt in der Vorfertigung: Einige Anbieter liefern schlüsselfertige Hotelzimmer an die Baustelle, oft schon mitsamt ihrer Ausstattung. Die Module werden direkt vor Ort zusammengesetzt, die Anschlussarbeiten werden innerhalb weniger Monate erledigt. Hoteliers, die ihren Betrieb um- oder ausbauen, können diese Arbeiten also in der Zwischensaison durchführen oder die Schließzeit des Betriebs zumindest reduzieren. Der vermiedene Umsatzentfall kompensiert die in der Regel etwas teurere Bauweise. Allerdings sind die Planungsarbeiten und Vorbereitungen im Holzbau umfangreicher und müssen früh genug angesetzt werden. Der Statiker und alle Handwerker müssen zeitgerecht in die Planung eingebunden werden, damit von der Lastableitung bis hin zu den schalltechnischen und bauphysikalischen Problemen alles abgeklärt ist. Denn im Gegensatz zum herkömmlichen Massivbau lässt ein hoher Vorfertigungsgrad kein Improvisieren auf der Baustelle zu.

FÜR ERHOLSAMEN SCHLAF

Holz hat nicht nur die Fähigkeit, die Luftfeuchtigkeit zu regulieren, sondern trägt mit seinen ätherischen Ölen auch zu einem besonders gesunden Raumklima bei. Allergikern kommt zugute, dass Holz auch Unverträglichkeiten Einhalt gebietet – zum Schutz der Oberflächen kommen in zahlreichen Häusern nur natürliche Öle und Wachse zur Anwendung, um die Poren des Holzes offen zu halten. Wer sich während des Schlafs mit Zirbenholz umgibt, erspart dem Herz in der Nacht nachweislich an die 3.000 Schläge und hilft dem Organismus dabei, sich zu entspannen. Hotelier Dietmar Nussbaumer vom Hotel Krone in Hittisau sieht hier den zentralen Vorteil für den Gast: „Viele Besucher kommen deshalb gerne zu uns, weil sie bei uns besonders gut schlafen – sogar besser als zu Hause.“

REGIONALE IDENTITÄT ZEIGEN

Architektur drückt auch die Kultur und Geschichte einer Region aus. Etwa im Bregenzerwald, wo die Holzbautradition besonders tief verankert ist. Damit baukulturelle Merkmale erhalten bleiben, gibt es strenge Vorschriften. Die Außenfassaden müssen beispielsweise aus unbehandeltem Holz sein. Typisch ist die Verkleidung der Fassaden mit Holzschindeln, die auch das 1838 erbaute Hotel Krone zieren. Eine aufwendige, aber bewährte Technik. Denn eine gute Holzschindelfassade könne gut hundert Jahre überdauern, weiß Nussbaumer. Die Zeit hinterlässt ihre Spuren und verleiht der Fassade einen außergewöhnlichen Charakter: Auf der Südseite des Hotels Krone wurden die Schindeln von der Sonne dunkelbraun gebrannt, auf der Westseite von Wind und Wetter silbergrau geschliffen.


"Viele Besucher kommen deshalb gerne zu uns,
weil sie bei uns besonders gut schlafen
– sogar besser als zu Hause.“


SCHALL- UND BRANDSCHUTZ ERSCHWERT

Nachteile hat das Holz beim Schall- und Brandschutz. Nussbaumer hat sich bei einem Umbau des Hotels vor rund zehn Jahren für eine Holz-Beton-Verbunddecke entschieden, um Lärm zu reduzieren. Moderne Holzmodule können meist entkoppelt aufeinandergestapelt werden und gleichen so das Defizit beim Schallschutz aus. In puncto Brandschutz gibt es für Holzbauten genaue Bestimmungen, meist sind Verkleidungen in unbrennbaren Materialien vorschrieben. Je höher das Gebäude ist, desto härter sind die Auflagen. Wer mit Holz bauen möchte, muss also auch mit Herausforderungen rechnen. Die vielen Vorteile des Holzbaus würden aber die Nachteile überwiegen, ist Nussbaumer überzeugt. Er würde sich immer wieder für den Holzweg entscheiden.