Ruf der Berge

Ruf der Berge

Die Berge sind ein wertvolles Kapital für das Tourismusland Österreich.

Eine neue Studie zeigt, welche Motive die Gäste im Sommer in die Berge ziehen und welche Bedenken es noch zu beseitigen gilt.

Faszinierender Ausdruck der Naturgewalt, beständige Zeugnisse aus der Vergangenheit, Sehnsuchtsorte voller Mystik: Berge erwecken gemeinhin Sehnsüchte und positive Assoziationen. Dennoch zeigen Studien wie die deutsche Reiseanalyse, dass das Interesse an Urlaub in den Bergen über einen langfristigen Zeitraum tendenziell rückläufig ist.

Woran das liegt und welche Angebote diesem Trend entgegenwirken können, dem ist eine Studie der Österreich Werbung in Kooperation mit dem Fachverband der Seilbahnen der Wirtschaftskammer Österreich nachgegangen. Im Rahmen der tiefenpsychologischen Wirkungsforschung zu „Sommerurlaub in den Bergen“ führten Forscher Tiefeninterviews mit drei Urlaubergruppen aus Deutschland und Österreich. Bei der qualitativ angelegten Studie ging es darum, die Assoziationen der Befragten zum Urlaub in den Bergen zu erforschen (siehe Zitate). Befragt wurden potenzielle Gäste, die bislang noch keinen Sommerurlaub in den Bergen verbracht hatten, aber grundsätzlich Interesse zeigten. Außerdem Gäste, deren Sommerurlaub in den Bergen schon mehrere Jahre zurücklag. Und schließlich Urlauber, die gelegentlich ihre Sommerferien in den Bergen verbringen.

MASSSTAB STRANDURLAUB

Eine zentrale Erkenntnis der Studie: Psychologisch betrachtet existiert in den Köpfen der Urlauber eine fixe Norm, an der sich der Bergurlaub messen muss – der Urlaub am Strand. Dort ist das Wetter in der Wahrnehmung stets sonnig, es braucht nicht viel Ausrüstung, Faulenzen ist erlaubt. Die Reisenden fühlen sich in einer geschützten Umgebung gut aufgehoben und sicher vor unerwarteten Ereignissen. Im Vergleich dazu nehmen die Befragten Sommerurlaub in den Bergen häufig als beschwerend und aufwendig wahr. Die Stimmung beim Wandern ist wortkarg, das Wetter wechselhaft, die steinigen Pfade bergen Verletzungsgefahr und es muss an Ausrüstung wie Regenschutz und Wanderschuhe gedacht werden. Dazu kommen mangelnde Ortskenntnis und die Sorge, sich zu verirren. In vielen Köpfen ist fest verankert: Urlaub in den Bergen ist ohne Anstrengung nicht zu haben. Bei Menschen ohne Bergerfahrung verdecken diese Bedenken den Blick auf die Vorzüge von Urlaub in den Bergen. Auch fehlt ihnen die konkrete Vorstellung davon, was sie in den Bergen alles erleben können.

Großglockner Hochalpenstraße

Die Gewaltigkeit der Natur. Da stockt einem der Atem, wenn man den Gipfel zum ersten Mal sieht, ein ergreifendes Gefühl. Je näher man kommt, desto aufgeregter wird man, da kriegt man Respekt vor dem, was man vor sich hat.

ERFAHRUNG SCHAFFT GEWISSHEIT

Jenen Befragten, die vor zehn Jahren oder mehr bereits einen entsprechenden Urlaub verbracht haben, erscheinen die Berge zugänglicher. Sie haben häufig positive Erinnerungen aus der Kindheit – an Übernachtungen in Hütten, an Tiere, Blumen, die Gemeinschaft mit Freunden und Eltern. Jene Befragten, die regelmäßig Berge besuchen, stehen ihnen meist positiv gegenüber, denn sie wissen, was sie erwartet. Die Studie zeigt: Damit sich Unerfahrene für Urlaub in den Bergen begeistern, brauchen sie Gewissheit über das zu erwartende Erlebnis – es braucht Standards für den Bergurlaub.

Marketing-Fachleute ist das eine wesentliche Erkenntnis. „Bisher haben wir immer Familien oder Paare beim Wandern am Berg gezeigt. Es ist jedoch wichtig, den potenziellen Urlaubern auch zu erklären, wie sie in den Genuss dieser Erlebnisse kommen. Dazu ist ein Schulterschluss zwischen Destination, Region und Bergbahn in der Kommunikation unerlässlich“, erklärt Holger Sicking, Leiter der ÖW-Tourismusforschung. Das sei eine Gradwanderung. Schließlich wolle man kein falsches Bild transportieren und Urlauber dazu ermutigen, sich in Flipflops in die Berge zu wagen. Auch in puncto Ausrüstung müsse daher schon bei der Bewerbung klar gezeigt werden, wie essenziell Schuhwerk und Regenschutz sind, um keine falschen Erwartungen zu wecken, sagt Sicking.

Die Berge sind wie ein Zaun, die halten den Rest der Welt fern und man fühlt sich dadurch geschützt vor allem.

UNGEWISSHEIT ABBAUEN

Besonders Menschen mit länger zurückliegender Bergerfahrung sollte die Vielfalt möglicher Bergaktivitäten kommuniziert werden. Sicking: „Wir müssen vermitteln, dass man kein erfahrener Wanderer sein muss, dass man in den Bergen auch einfach spazieren gehen kann.“ Die Convenience spielt dabei eine sehr große Rolle. Angesagt sind Pakete samt Informationen über de- ren genaue Bestandteile. Ist die Ausrüstung inbegriffen? Können sich die Gäste auf die Begleitung erfahrener Guides verlassen? Und haben die Hütten auch sicher geöffnet? Solche Urlaubspakete befriedigen auch das Bedürfnis nach Sicherheit und Verlässlichkeit. Im Vergleich zum Sommerurlaub in den Bergen wird der Wintersport von den potenziellen Gästen als leichter zugänglich wahrgenommen. Die Menschen haben eine konkrete Vorstellung davon, wie ein Skitag aussieht: Man kauft ein Skiticket, leiht die Ausrüstung und verbringt den Tag auf den Pisten. „Die Seilbahnen bieten auch im Sommer strukturierte Angebote, diese müssen verstärkt gemeinsam kommuniziert werden“ so Sicking.

Familie auf der Alm

Zuerst traut man sich nicht drüber, dann wird es anstrengend und man muss sich konzentrieren, doch wenn man es geschafft hat, stellt sich ein angenehmes Zufriedenheitsgefühl ein.

SEILBAHNEN SPIELEN WICHTIGE ROLLE BEIM ERLEBNIS „BERG“

Die Bergbahnen bieten einen sicheren, komfortablen und bequemen Weg nach oben und stehen symbolisch für den leichten Zugang in die Berge. Sie können vor allem bei den Bergunerfahrenen mögliche Unsicherheiten abbauen, so die Ergebnisse der Studie. Außerdem ist die Bergfahrt bereits Teil des Erlebnisses. Sie schafft einen Mehrwert für den Gast und ist nicht nur Mittel zum Zweck. „Die wichtigste Erkenntnis war, dass es noch viele Möglichkeiten gibt, Gästeschichten für den Bergsommer zu begeistern“, erzählt Maria Hofer, Sprecherin der Besten Österreichischen Sommer-Bergbahnen und Marketing-Leiterin bei den Gletscherbahnen Kaprun.

Im Bereich Familie und Action bietet besonders die Vereinigung der Besten Österreichischen Sommerbergbahnen schon vielfältige Erlebnisse an, etwa Bikeparks und Sommerrodelbahnen. Großes Potenzial bestehe noch im Hinblick auf das Motiv der Neuorientierung, also bei meditativen Angeboten in den Bergen, die eine besondere Nähe zur Natur versprechen, erklärt Hofer. Der Sommer in den Bergen hat touristisch noch viel zu bieten – sofern es gelingt, Vorurteile abzubauen und die Vielzahl der möglichen Aktivitäten leicht verständlich zu kommunizieren.

Da sitzt man dann oben und hört die Vögel und dann ist so eine Stille, das ist eine andere Welt, weit weg von allem: Weite, Sonne, klarer Himmel, wenn es denn mal ein schöner Tag ist. Das ist dann wahrscheinlich wie bei der Meditation, es tut gut.

VIER MOTIVE FÜR SOMMERURLAUB IN DEN BERGEN

In ihrer Studie haben die Forscher vier elementare Motive für den Sommerurlaub in den Bergen identifiziert und entsprechende Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die aktuellen Themengruppen der Besten Österreichischen Sommer-Bergbahnen sind hier Innovationsführer und decken die Zugangsmotive bereits gut ab. Beim Fachverband der Seilbahnen will man die Mitglieder dazu motivieren, mit den individuellen Erlebnis-Angeboten die unterschiedlichen Urlaubsmotive noch gezielter anzusprechen und das Gütesiegel als standardisiertes Qualitätsversprechen stärker hervorzuheben. Laut Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes der Seilbahnen in der WKO, soll etwa noch stärker das Bergerlebnis gemeinsam mit Freunden und Familie kommuniziert werden. Oder das Glücksgefühl, das man verspürt, wenn man mithilfe der Seilbahnen zum ersten Mal den Gipfel eines Dreitausenders erreicht. Wolf: „Die Studie hat gezeigt, dass wir mit der starken Qualitätsorientierung und der Zertifizierung der Sommerbergbahnen den richtigen Weg eingeschlagen haben und diesen konsequent weitergehen müssen.“

1. ERHABENE WELT

Die Berge rufen Ehrfurcht hervor. Kommunikation und Aktivitäten sollten diese Erhabenheit vermitteln und deutlich machen, dass dieses Gefühl allen zugänglich ist. Gefragt sind gefahrlose Perspektiven und Erfahrungen: Auf dem Gipfel in der Sonne liegen und den Ausblick genießen, auf gesicherten Wegen wandern und Informationen über die Entstehung und Veränderung der Berge erhalten.

2. NEUORIENTIERUNG

Der Weitblick von oben auf das Land vermittelt den Eindruck, das eigene Leben besser ausrichten zu können. Die Reinheit von Luft und Wasser verspricht positive Auswirkungen auf den eigenen Körper. Urlaubsaktivitäten, die auf dieses Motiv abzielen, sollten das sinnliche Eintauchen in die Bergwelt vermitteln: visuell über den Anblick von Himmel, Luft, Wasser und Wiesen, akustisch über Geräusche wie das Rascheln der Blätter im Wind oder das Rauschen eines Gebirgsbachs. Auch „meditative“ Angebote sind gewünscht: etwa Yoga bei Sonnenaufgang, Genuss rund ums Lagerfeuer und Beerenpflücken beim gemächlichen Wandern.

3. KRAFTBEWEIS

Vor allem für regelmäßige Bergurlauber stellt die Erfahrung in den Bergen eine positive Herausforderung dar. Sie verspüren den Wunsch, etwas zu bewältigen und genießen das Erfolgsgefühl, wenn sie über sich hinauswachsen. Dazu braucht es vielfältige Angebote für Einsteiger und Profis: Mountainbiken, Klettern, Wandern, Fallschirmspringen oder Kanufahren genauso wie zugänglichere Aktivitäten mit Spaßfaktor wie Sommerrodeln. Wandern ist in verschiedenen Abstufungen gefragt, im Hochgebirge, aber auch im Tal.

4. FESTE ORDNUNGEN

Ein Sommerurlaub in den Bergen vermittelt Stabilität, ist wie ein Ausflug in eine heile Welt: Die Menschen leben in intakten Familien, sind ehrlich, hilfsbereit und gastfreundlich. Je höher gelegen ein Ort, desto tradierter und unverfälschter ist das Leben in der Vorstellung der Befragten. Gefragt sind Aktivitäten und Themen, die Einblicke in die traditionelle Lebensweise der lokalen Bevölkerung gewähren: Kochkurse und Handwerk in der Hütte, Tänze, Lieder und Brauchtum.