Fahrziel Zukunft

Fahrziel: Zukunft

Selbst Öffi-Fahrerin von klein auf, lenkt Alexandra Reinagl heute als Mitglied der Geschäftsführung die Geschicke der Wiener Linien.

Mit dem bu//etin hat sie über ihre Erfolge und Visionen gesprochen.

Sie beschäftigen sich seit 15 Jahren beruflich mit dem Thema Verkehr. Was bedeutet Mobilität für Sie persönlich?

Philosophisch betrachtet bedeutet Mobilität für mich Freiheit. Aktiv, aber auch unabhängig sein zu können. Als die Nachtbusse eingeführt wurden, habe ich gerade begonnen, abends wegzugehen. Deshalb haben sich für mich, da ich in einem Außenbezirk wohnte, ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Eine Gemeinde, die ihren Einwohnerinnen und Einwohnern langfristig Lebensqualität bieten und Flächen effizient nutzen möchte, muss eine gute Verkehrsinfrastruktur als ihre Pflicht ansehen.

Haben Sie bewusst nach Jobs in Verkehrs­betrieben gesucht?

Nein, mir ist meine Karriere immer passiert, ich habe nichts geplant. Ich habe aber auch nie Nein gesagt, auch wenn es große Herausforderungen gab. Als ich nach drei Jahren beim Verkehrsverbund Ost Region gefragt wurde, ob ich mich nicht bei den Wiener Linien bewerben möchte, habe ich schon erst geschluckt. Scheitern kann man natürlich immer, aber ein Nein kann man später nicht mehr rückgängig machen.

Was konnten Sie als Geschäftsführerin der Wiener Linien bereits bewirken?

Im Bereich Produkte war mir die Neugestaltung der Schülerfreifahrt wichtig. Außerdem sind wir digital geworden und haben auf unserer App „WienMobil“ alle Dienste zusammengeführt, vom Routenplaner bis zur Jahreskarte. Intern habe ich das Projekt „Anerkennungskultur“ eingeführt, um den wertschätzenden Umgang im Unternehmen zu fördern. Man muss die Dinge klar ansprechen, doch es kommt immer auf den Ton an. Auch im Bereich Führungskultur hat sich viel getan. Früher hat man sich die Positionen ersessen, heute fördern wir intern Talente und bieten auch Einsteigerinnen und Einsteigern von außen Chancen auf gute Positionen. Außerdem bemühe ich mich etwa mit der Schaffung von Kinderbetreuungsangeboten um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das ist bei uns gerade im Schichtbetrieb oft schwierig.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil be­schreiben?

Ich pflege einen partizipativen Führungsstil. Ich versuche, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum eigenständigen Arbeiten anzuregen. Sie sollen nicht mit allen Fragen gleich zu mir kommen, sondern sich vorher selbst Gedanken machen und Vorschläge einbringen. Auch mich hat es motiviert, wenn ich die Chance hatte, eigenverantwortlich zu arbeiten und die Richtung mitzubestimmen. Ich habe viel Vertrauen in meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und delegiere so viel wie möglich.

Was braucht es, um den Nachwuchs für die Öffis zu begeistern?

Die Jugend ist mir wichtig. Wenn man in frühen Tagen positive Erfahrungen macht, prägt das für die Zukunft. Entscheidend ist ein attraktives Angebot. Auch eine einfache Tarifgestaltung ist wichtig, dafür habe ich mich eingesetzt und zum Beispiel die Kurzstrecken abgeschafft. Die fand ich immer schon verwirrend. Um uns als Arbeitgeber attraktiv zu machen, gehen wir auch in Schulen. Wir bemühen uns besonders um die Mädchen, denn in Sachen Frauenquote haben wir noch Aufholbedarf. Der Vorteil ist, dass sich sehr viele für das Unternehmen Wiener Linien interessieren, daran knüpfen wir an.

Eine einfache Tarifgestaltung ist sicher auch für Touristen von Vorteil?

Natürlich. Ich setze auch stark auf die Zusammenarbeit mit Touristikern. Der Trend geht dahin, dass auch Mobilitätsleistungen vorab im Internet gebucht werden. Wir arbeiten stark mit Wien Tourismus und mit Buchungsplattformen zusammen, die etwa mit einem Hotelaufenthalt oder einem Konzertbesuch auch gleich ein Öffi-Ticket anbieten. Wien genießt hier eine sehr gute Ausgangsposition. Die Touristen schätzen das gut funktionierende Öffi-Netz Wiens sehr. Wir haben mehrsprachige Fahrkartenautomaten, fahren regelmäßig und zuverlässig – das ist nicht selbstverständlich.

Sie bieten auch touristische Attraktionen wie die „Vienna Ring Tram“ und das „Verkehrsmuseum Remise“.

Genau. Unser neuestes Angebot ist das Infocenter U2/U5 bei der U-BahnStation Volkstheater, das Einblicke in den U-Bahn-Bau und in die Verkehrsgeschichte bietet. Angebote wie die „Vienna Ring Tram“ und das „Verkehrsmuseum Remise“ sind nicht unser Kerngeschäft. Wir sehen sie aber als besondere Schätze an, die bei den Gästen gut ankommen. Die Besucherzahlen zeigen: Wir werden besser und besser.

Welche großen Projekte beschäftigen Sie derzeit?

Zum einen natürlich der Netzausbau von U2 und U5. Auch die Themen Frauenförderung und Vereinbarkeit. Außerdem arbeiten wir daran, die Infrastruktur entlang der Strecken zu verbessern und entlang der öffentlichen Routen zum Beispiel Paket-Abholboxen zu etablieren, damit die Städterinnen und Städter unterwegs gleich mehrere Wege erledigen können. Im Bereich Digitalisierung sind wir nach außen schon gut aufgestellt. Nach innen gibt es noch viel zu tun, um in der Verwaltung effizienter und schneller zu werden. Und auch das Sicherheitsthema ist wichtig. Mit unserem Sicherheitsteam zeigen wir an den Stationen Präsenz, das kommt bei den Fahrgästen gut an und wird sicher noch ausgebaut.

Wie sieht die Mobilität von morgen in Ihren Augen aus?

Die Menschen werden sich anders bewegen, Homeoffice wird mehr und mehr werden, auch das projektorientierte Arbeiten an unterschiedlichen Orten. Es wird keine Rushhour mehr geben. Vermutlich wird es auch autonome Shuttles geben, die wie Sammeltaxis in den Stadtvierteln unterwegs sind und die Menschen dann zu größeren U-Bahn- oder Straßenbahnstationen bringen. Es ist wunderschön, in einer Branche zu arbeiten, die immer eine maßgebliche Bedeutung haben wird.

Auch vollautomatische Fahrzeuge sind im Kommen?

Ganz bestimmt, wir werden aber immer auch Manpower brauchen. Der Mensch wird als Arbeitskraft immer seinen Platz haben, er muss nur wach, neugierig und flexibel bleiben.