Nachhaltigkeit und Mobilität in Belgien

Nachhaltigkeit und Mobilität in Belgien

Nachhaltige Mobilität ist in aller Munde. Auch die BelgierInnen verfolgen starke Nachhaltigkeitsbestrebungen und versuchen zunehmend, umweltfreundliche Mobilitätsangebote zu nutzen. Die Frage, welche konkreten, nachhaltigen Maßnahmen in Belgien getroffen werden, weiß unsere Kollegin Katrin Erben aus dem Büro in Brüssel.

Ein Beitrag von Katrin Erben, ÖW Belgien

Erst kürzlich, am 22. September 2019, organisierten Brüssel und viele Städte in Flandern einen autofreien Sonntag zum Abschluss der Europäischen Mobilitätswoche. Die Ziele eines autofreien Sonntags sind eine gesündere Luft, mehr Ruhe und Raum für Fußgänger und Radfahrer und ein sicherer Verkehr. Luftverschmutzung soll allein in Europa jährlich 800.000 vorzeitige Todesfälle verursachen. Und sie verkürzt die Lebenserwartung der Europäer um durchschnittlich zwei Jahre. Die Veranstaltung will den BelgierInnen auch die Möglichkeit geben, nachhaltige Verkehrsmittel wie Elektrofahrräder und E-Roller zu testen und mehr über die Sharing-Mobilität und öffentliche Verkehrsmittel zu erfahren.

Die BelgierInnen und das Autofahren

Dass die BelgierInnen nämlich grundsätzlich sehr an ihren PKWs hängen, ist nicht von der Hand zu weisen. Auch die Urlaubsanreise nach Österreich erfolgt zu einem Großteil (83%) mit dem eigenen Fahrzeug. Diese hohe Stellung des PKW liegt vor allem auch an den steuerlichen Vorteilen, die Firmenwägen für in Belgien beschäftigte DienstnehmerInnen haben. Nirgendwo sonst auf der Welt hat ein höherer Anteil von ArbeitnehmerInnen einen Wagen und meist noch eine Tankkarte, die von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird. 2016 hatten Schätzungen zufolge 445.000 ArbeitnehmerInnen in dem Elf-Millionen-Einwohner-Land mit knapp fünf Millionen Erwerbstätigen einen Dienstwagen. 2007 lag diese Zahl noch bei 288.000 Personen. Die Steigerungsraten sind mit 5% im Jahr rasant. Bereits seit Anfang 2018 versucht nun aber der belgische Staat dieser Tendenz mit der Initiative „Cash for Car“ entgegen zu steuern. Hierdurch können belgische ArbeitnehmerInnen monatlich einige Hundert Euro (steuerfrei) zusätzlich erhalten, wenn sie auf ihren Dienstwagen verzichten. Die Wahrheit ist jedoch: Bisher haben lediglich 14 (!) ArbeitnehmerInnen von dieser Initiative Gebrauch gemacht. Nichtsdestotrotz hat kürzlich eine Befragung von Securex ergeben, dass annähernd jede/r zweite ArbeitnehmerIn, der/die nach Brüssel pendelt, den Weg zur Arbeit mit dem Auto als zu stressig kategorisiert und Alternativen zu einem Firmenwagen wie Abonnements für die öffentlichen Verkehrsmittel oder auch eBikes bei gewissen Distanzen durchaus offen gegenüber stehen würde.

Auszeichnungen für nachhaltigen Einsatz

Vor allem viele flämische Städte verfolgen zusätzlich starke Nachhaltigkeitsbestrebungen im Bereich der Mobilität. Dies zeigt beispielsweise die Auszeichnung von Mechelen (gemeinsam mit dem irischen Limerick) mit dem European Green Leaf Award 2020 (EGLA). Erst 2018 ist die belgische Stadt Leuven ebenfalls als eine von zwei europäischen Städten mit dem EGLA bedacht worden. Mit dieser Auszeichnung belohnt die Europäische Kommission Städte und Gemeinden mit zwischen 20.000 und 100.000 EinwohnerInnen für ihren Einsatz rund um Nachhaltigkeit und Lebensqualität. Die Vergabe des EGLA basiert auf einer ganzen Reihe von Kriterien rund um Lebensqualität und Nachhaltigkeit bewertet: Klimawandel und Energieverbrauch, nachhaltige kommunale Mobilitätspolitik, Natur, Biodiversität und nachhaltige Nutzung von Land und Grundstücken sowie Luftqualität und Lärm, Abfallwirtschaft und Wiederverwertung und zuletzt die Qualität des Wassers.

Ein Umdenken der Reiseart

Interessante Studienergebnisse zum Thema nachhaltige Mobilität in Belgien wurden auch kürzlich von dem Trendforschungsinstitut WES auf Basis einer Befragung von 1.500 BelgierInnen zwischen 18 und 74 Jahren veröffentlicht. Hier ging es vor allem um die Frage, in welchem Maß der Klimawandel Auswirkungen auf belgische Urlaubsreisen mit dem Flugzeug hat. Die Ergebnisse zeigen, dass ein Umdenken stattfindet – wenn auch nur langsam. Knapp 28% der BelgierInnen geben an aufgrund des Klimawandels ihr Reiseverhalten ändern zu wollen, dennoch sind es nach wie vor über 43% der Befragten, die sagen, dass Maßnahmen zur Bekämpfung der globalen Erwärmung für sie keine Rolle in ihrer Reiseentscheidung spielen. Die Ergebnisse zeigen eine deutliche höhere Bereitschaft zu einem Umdenken von jüngeren Befragten. Wenn es um konkrete Maßnahmen geht, wird in erster Linie der Verzicht auf Flugreisen bei einer Distanz von weniger als 1.000 km angegeben.

Besonders der Verzicht auf Kurzreisen ist auch politisch stark diskutiert. Sie sind in Zusammenhang mit dem Kampf gegen den Klimawandel nicht nur in Belgien umstritten, dennoch bleiben sie weiter populär. Im vergangenen Jahr 2018 haben fast 278.000 Reisende einen Flug zwischen der belgischen Hauptstadt Brüssel und der niederländischen Metropole Amsterdam (Entfernung 212 km) gebucht. Das bedeutet, dass täglich etwa 760 Fluggäste hier unterwegs waren.

Gerade deswegen ist es umso wichtiger, auf alternative Mobilitätsangebote hinzuweisen und gelungene Beispiele der Nachhaltigkeitsbestrebungen im Bereich der Mobilität hervorzuheben – ganz gleich, ob das nun autofreie Sonntage in zahlreichen belgischen Städten oder die Auszeichnung Mechelens mit dem European Green Leaf Award sind.