Das europäische und das chinesische digitale Ökosystem unterscheiden sich grundlegend in Struktur, Regulierung, Technologieeinsatz und gesellschaftlicher Ausrichtung
Das digitale Ökosystem Chinas ist aus zweierlei Gründen für uns interessant.
Doch der Reihe nach:
Das digitale Ökosystem Europas unterscheidet sich in zentralen Aspekten stark vom chinesischen. Überspitzt formuliert: Während Europa auf Datenschutz, Transparenz und ethische Standards setzt – etwa durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) –, verfolgt China einen stärker staatlich kontrollierten Ansatz. Daten werden bei Plattformanbietern zentral gesammelt und genutzt.
Diese strukturellen Unterschiede spiegeln sich auch in der Plattformlandschaft wider: In China dominieren sogenannte Super-Apps wie WeChat, Alipay, Douyin oder Xiaohongshu (Little Red Book), die Kommunikation, Bezahlung, Behördenkontakte, Shopping und Reiseplanung in einem einzigen digitalen System bündeln. Europa hingegen ist digital fragmentierter. Hier nutzen Konsumenten und Konsumentinnen für diese unterschiedlichen Zwecke darauf spezialisierte Dienste, meist internationale Plattformen wie WhatsApp, Google oder Amazon, bzw. die regionalen Anwendungen der Behörden.
Auch in der Innovationsgeschwindigkeit und im Technologieeinsatz zeigen sich Unterschiede. China investiert massiv in zukunftsweisende Technologien wie Künstliche Intelligenz, Gesichtserkennung, Smart Cities oder automatisiertes Reisen – häufig in direkter Partnerschaft mit dem Staat und schnell im Alltag umgesetzt. In Europa wird technologische Innovation hingegen vorsichtiger eingeführt. Hier sind auch Sicherheit, ethische Fragen und gesellschaftlicher Konsens wichtig. Neue Technologien werden stärker diskutiert und schrittweise integriert.
Diese unterschiedlichen Ansätze spiegeln sich auch in der gesellschaftlichen Akzeptanz wider. In China gilt Technologie als Schlüssel zu Effizienz und Alltagserleichterung und stößt auf breite Zustimmung. In Europa hingegen ist die Haltung differenzierter: Während junge, technikaffine Gruppen häufiger offen für neue digitale Anwendungen sind, begegnen andere Bevölkerungsschichten Innovationen oft mit Skepsis – vor allem mit Blick auf Überwachung oder Arbeitsplatzsicherheit.
Zusammengefasst ist Chinas digitales Ökosystem zentralisiert, datenbasiert und stark vernetzt, während Europas System dezentral, stärker reguliert und auf individuelle Rechte und ethische Prinzipien ausgerichtet ist. Für internationale Akteure – etwa im Tourismus – bedeutet das: Um erfolgreich mit beiden Systemen zu interagieren, braucht es differenzierte Strategien, ein tiefes Verständnis für lokale Besonderheiten und die Fähigkeit, digitale Angebote entsprechend auszurichten.
Mit diesem Wissen ist es auch nachvollziehbarer, dass chinesische Unternehmen, die mehr Freiheiten bei der Nutzung der Daten haben, auch viel weitergehende Services anbieten können, als wir das in Europa könnten.
Chinas digitale Plattformen sind zentral für touristische Sichtbarkeit
Super-Apps wie WeChat, Douyin (TikTok) und Xiaohongshu verbinden Content, Community und Commerce. Mini-Programme, Kurzvideos und visuelles Storytelling sind essenziell für die Reichweite.
Künstliche Intelligenz prägt die gesamte Reiseerfahrung
Unternehmen wie Trip.com, SenseTime, Huawei und Tencent zeigen, wie KI-Prozesse personalisiert, Reiserouten optimiert, Serviceprozesse automatisiert und manchmal sogar CO₂-neutral gestaltet werden.
Servicequalität ist in China zunehmend technologiegetrieben
Erwartet werden mobile Buchbarkeit, personalisierte Angebote, KI-gestützte Empfehlungen sowie integrierte Services wie Übersetzungen und Steuer-Rückerstattung – insbesondere für die wachsende Gruppe der Individualreisenden (FITs).
Digital mitgestalten
Der Erfolg am chinesischen Markt erfordert proaktive Strategien: Plattformkompetenz, kulturell übersetzter Content, digitale Services und starke Partnerschaften sind die Basis für nachhaltige Tourismuspräsenz in China.
Ein Blick auf ein paar der fortschrittlichsten Unternehmen Chinas, die für unseren Tourismus relevant sind, demonstriert dies ganz gut:
Xiaohongshu (Little Red Book) ist eine führende Plattform für Reiseinhalte in China, besonders bei jungen, reisefreudigen Frauen und eignet sich hervorragend für die visuelle Reiseinspiration
Planung & Buchung direkt über die App: Reisende nutzen die Plattform zur Information, Inspiration und direkten Buchung – verlinkt z. B. mit Trip.com.
Personalisierte Inhalte dank KI: Inhalte werden algorithmisch ausgespielt – entscheidend sind Qualität, Fokus auf ein Thema und Engagement in den ersten 48 Stunden.
Relevanz schlägt Reichweite: Micro-Influencer, hochwertige Bilder und regelmäßige Beiträge wirken besser als große Kampagnen. Konsistenz zählt.
Empfehlung für Österreich: Kulturelle Tiefe, Natur und Kulinarik kommen besonders gut an. Ein einheitlicher Auftritt Österreichs ist wirksamer als Einzelaccounts.
Wachsendes Potenzial in Europa: Xiaohongshu expandiert international. Österreich kann sich früh als attraktive, authentische Reisedestination positionieren.
WeChat als zentrales Tourismus-Ökosystem: Tencent bietet mit WeChat eine Super-App mit über einer Milliarde Nutzer:innen, die zentrale Funktionen für Reisende vereint – darunter Mini-Programme, Zahlungsdienste, Live-Streams und KI-Tools wie Chatbots, Übersetzungen oder digitale Reiseführer.
Mini-Programme in WeChat als Schlüssel zur Sichtbarkeit: Mini-Programme begleiten chinesische Reisende durch alle Phasen der Customer Journey. Sie sind ohne App-Download nutzbar und bieten integrierte Buchungs-, Info- und Zahlungsfunktionen.
Nationale Integration in ein Mini-Programm statt Einzelaktionen: Online- und Offline-Bewerbung (QR-Codes, Social Media, KOLs) sind unerlässlich.
Technisch einfach umsetzbar, wirtschaftlich skalierbar: Mini-Programme können mit bestehenden Zahlungsanbietern verknüpft werden, verursachen keine Gebühren bei WeChat und lassen sich kostengünstig entwickeln. Sie sind modular erweiterbar – z. B. mit Karten, Eventkalendern oder Kommentarfunktionen.
Relevante Zielgruppen & Erfolgsfaktoren: Chinesische Reisende sind zunehmend jung, stilbewusst und auf spontane Erlebnisse fokussiert. Rund 80 % des Traffics entsteht durch Freundesempfehlungen. Relevanz, Sichtbarkeit, Regelmäßigkeit und kulturell passende Kommunikation sind entscheidend.
Douyin (chinesisches TikTok) ist eine wichtige Inspirationsquelle für Reisen, denn mit 600 Millionen täglichen Nutzer:innen und 76 % Marktdurchdringung ist Douyin ein führendes Medium für Reiseentscheidungen in China. 80 % der Douyin-Nutzer:innen lassen sich bei der Auswahl ihres Reiseziels von Kurzvideos beeinflussen.
Douyin ermöglicht direkte Buchung & Zielgruppenansprache: Durch KI-gesteuerte In-App-Funktionen können Nutzer:innen direkt Hotels, Restaurants oder Aktivitäten buchen. Der Algorithmus zeigt gezielt Inhalte für z. B. Familien-, Kultur- oder Abenteuerreisen an. Reisebuchungen über Douyin, eine seit Mai 2023 existierende Möglichkeit, haben sich von 2024 auf 2025 verneunfacht, Buchungen von Auslandsreisen stiegen um das Siebenfache.
Kurzvideos & KOLs sind der Schlüssel zum Erfolg: Authentische 15-Sekunden-Videos (Bucketlist-Formate) und Kooperationen mit Key Opinion Leadern (KOLs) erhöhen die Reichweite und steigern das Vertrauen. Zusätzlich wird suchoptimierter Content immer wichtiger. Mit 300 Millionen täglichen Suchanfragen auf Douyin sollten Inhalte auch SEO-optimiert aufbereiten werden, da viele Nutzer:innen direkt nach dem Videoerlebnis suchen und buchen.
Douyin als Marketingkanal: Business-Accounts auf Douyin bieten Zugang zu Performance-Daten, organischem Wachstum und Content-Platzierung. Kurzvideos auf Douyin sind ein Werkzeug zur Erreichung junger, reiseaffiner Zielgruppen in China.
Trip.com kann als globaler Tech-Gigant mit Marktführerschaft in Asien bezeichnet werden und ist eines der weltweit größten technologiegetriebenen Reiseunternehmen mit starkem Fokus auf KI, globaler Reichweite und mehreren bekannten Marken wie Ctrip, Skyscanner oder MakeMyTrip.
Künstliche Intelligenz entlang der gesamten Reise: KI-gestützte Tools wie TripGenie oder TripBest liefern personalisierte Empfehlungen und individuelle Reiserouten – auch für Reisen nach Europa.
Ganzheitliches Nutzungserlebnis: Trip.com bietet ein All-in-One-Reiseökosystem inklusive Planung, Buchung, Service und Community – ideal für chinesische FITs, die eigenständig reisen und digital planen. Besonders rund um die „Golden Week“ sind chinesische Gäste reisebereit.
Strategischer Fokus auf Internationalisierung und Nachhaltigkeit: Die Plattform expandiert gezielt in internationale Märkte, setzt auf CO₂-arme Reiseoptionen und will Serviceprozesse weiter automatisieren.
Digitale Sichtbarkeit durch starke Partnerschaft: Trip.com bietet Reichweite, datengetriebene Zielgruppenansprache und Marketingformate wie App-Pushs und Influencer-Kampagnen.
SenseTime zählt zu Chinas Top 5 KI-Unternehmen und ist führend in Technologien wie Gesichtserkennung, Bildanalyse, autonomes Fahren und AR/VR mit starker Forschungsorientierung. Seit 2020 ist das Unternehmen an der Börse notiert.
Vielfältige Tourismus-Anwendungen: SenseTime bietet für den Tourismussektor unter anderem Gesichtserkennung für Flughäfen und Hotels, personalisierte Reiseempfehlungen, AR-gestützte virtuelle Touren, KI-Chatbots und datengestützte Trendanalysen. Diese Tools verbessern die Servicequalität und steigern die Gästezufriedenheit.
Strategie zur CO₂-Neutralität durch KI: SenseTime nutzt Künstliche Intelligenz zur Effizienzsteigerung in der Energieversorgung, z. B. für Offshore-Stromprognosen. Die angestrebte CO₂-Neutralität ist auch für Partner mit Fokus auf nachhaltigem Tourismus interessant.
Internationale Kooperationen und Exporte: SenseTime ist bereits in Japan, Südkorea, Thailand und Saudi-Arabien aktiv. Exportprodukte reichen von Gesichtserkennung für den Skisport bis hin zu KI-Spielen und Robotik, z. B. Sporttechnologie, smarten Destinationslösungen und Tourismusinnovation.
Technologieethik & Sicherheitsstandards: Das Unternehmen setzt selbst stark auf KI-basierte Zugangssysteme und engagiert sich in internationalen Ethikkommissionen.
Huawei ist eines der weltweit führenden IKT-Unternehmen, das smarte Endgeräte, Cloud-Services und digitale Infrastrukturlösungen in mehr als 170 Länder bereitstellt – mit wachsender Relevanz auch im Tourismussektor.
Huawei Cloud verbessert touristische Infrastruktur: Über Huawei Cloud bietet das Unternehmen maßgeschneiderte digitale Lösungen für smarte Städte und Destinationen. Am Beispiel des Flughafens Shenzhen zeigt sich, wie Betriebsmanagement, Echtzeit-Informationen und Besucherkommunikation effizient vernetzt werden können.
Künstliche Intelligenz für reibungslose Reiseerlebnisse: Huawei integriert KI-gestützte Services wie automatisierte Sitzplatzvergabe, Gesichtserkennung an Sicherheitskontrollen und Zugangskontrollen in touristischen Einrichtungen oder intelligente Parkservices. Zudem ermöglichen Datenprofile personalisierte Services für Gäste.
Relevanz für Kulturerbestätten in Österreich: Huawei-Technologie ermöglicht flächendeckendes WLAN auch in historischen Gebäuden, was für den Betrieb digitaler Angebote in Museen, Schlössern oder Klöstern von Vorteil sein kann.
Zukunftstechnologien: Mit Investitionen in neue Rechenarchitekturen („Future of Computing“) positioniert sich Huawei als Innovationstreiber.
Diese Unternehmen wurden im Rahmen einer Zukunftsreise, organisiert von der AUSSENWIRTSCHAFT ÖSTERREICH der WKÖ in Kooperation mit der Österreich Werbung, besucht.