Die Olympischen Winterspiele in Peking könnten den Wintertourismus in Österreich nachhaltig beleben, denn China will in den nächsten Jahren bis zu 300 Millionen Chinesinnen und Chinesen für den Wintersport begeistern. Viele heimische Unternehmen unterstützen diese Aktivitäten tatkräftig. Wie die neue, weltweit größte Zielgruppe für Winterurlaub tickt und welche Chancen sich für Österreich ergeben.
Die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking sind für Österreich aus sportlicher Sicht äußerst erfolgreich zu Ende gegangen. Sieben Mal Gold, sieben Mal Silber und vier Mal Bronze lautet die erfreuliche Bilanz des ÖOC-Teams. Aber auch wenn die Spiele vorüber und unsere Sportlerinnen und Sportler wieder daheim sind, wird Peking 2022 noch langanhaltende Auswirkungen haben, insbesondere auf den heimischen Wintertourismus. Schließlich will Peking in den kommenden Jahren 300 Millionen Chinesinnen und Chinesen für den Wintersport begeistern, davon 60 Millionen im alpinen Bereich. Wie kann Österreich davon profitieren? Wir haben dazu mit einer breiten Front an China-Experten geredet. Allen voran Emanuel Lehner-Telič, Head of Markets Asia-Pacific der Österreich Werbung. Er kennt den Markt China wie kein anderer und verrät in bulletin interessante Hintergründe.
Zu den Wettkämpfen konnte die chinesische Bevölkerung kaum kommen, die Sicherheitsmaßnahmen vor Ort waren extrem. „Dennoch war die Einstellung zu Olympia schon lange im Vorfeld des sportlichen Großereignisses sehr positiv“, berichtet Lehner-Telič. Man freute sich und war stolz, dass die Olympischen Winterspiele in China stattfinden würden.
In Vorbereitung auf das sportliche Großereignis hat China kräftig in die Infrastruktur investiert. Bereits 2019 wurde in Shougang ein außergewöhnlicher Snowboard-Park eröffnet. Dazu wurde ein altes Industriegelände in einen Freizeitpark mit Sprung- und Snowboard-Anlagen umgebaut. Auch in die bessere Erreichbarkeit der Skigebiete, die sich rund 200 Kilometer nordöstlich von Peking in der Provinz Hebei befinden, wurde investiert. Die Region profitiert heute enorm von der schnellen Zugverbindung. „Man fährt mit dem Auto vier bis fünf Stunden von Peking in die Skigebiete, mit dem Zug geht es in etwas über einer Stunde. Das sind schon einige infrastrukturelle Meilensteine, die der Bevölkerung zugutekommen“, sagt Lehner-Telič.
Bereits in den vergangenen Jahren ist es Lehner-Telič und seinem Team gelungen, ins Bewusstsein der Wintersport-affinen Chinesinnen und Chinesen vorzudringen und zu zeigen, dass Österreich eine attraktive Destination für Winter(-sport) -urlaub ist. Die globale und europäische Konkurrenz ist groß. Wenn es um den Skiurlaub der Chinesinnen und Chinesen geht, spielen Japan, Neuseeland, die USA und Australien eine Rolle. Und in Europa die Schweiz, Frankreich und Italien. Österreich ist gut dabei. „Wir werden in China immer in einem Atemzug mit den großen Ski-Nationen genannt“, sagt Lehner-Telič.
Freilich: Bislang ist Österreich für chinesische Gäste eine Sommer-Destination: 66 Prozent der Gäste aus China kamen vor der Pandemie im Sommerhalbjahr nach Österreich. Und die verbleibenden 34 Prozent besuchen uns zwar im Winter, aber nicht zum Skifahren. Österreich positioniert sich auf dem chinesischen Markt traditionell in erster Linie mit den Themen Kultur und klassische Musik. Zielgruppe ist die reisefreudige Bevölkerung mit höherem Einkommen und guter Bildung. Diese Zielgruppe achtet immer mehr auf ihre Gesundheit und auch das Thema Nachhaltigkeit spielt eine immer größere Rolle. Darum stellt die ÖW seit einiger Zeit auch die intakte Natur in Österreich in den Mittelpunkt. „Sie dürfen nicht vergessen, das sind Mega-Metropolen. Das Leben ist sehr herausfordernd, wenn man in engen Verhältnissen lebt und immer unter Leistungsdruck steht. Da bietet Österreich mit Natur und Kultur die Möglichkeit, seine Balance wieder zu finden“, ist Lehner-Telič überzeugt. Diese „Gegenwelt“ ist der wichtigste USP für chinesische Gäste.
Mit dem Olympia-Boom besteht auch mehr Interesse am Winterurlaub. Die Chinesen begeistern sich immer mehr für den Wintersport und darum wird seitens der ÖW in Peking gerade das Winter-Marketing verstärkt.
Gruppenreisende besuchen Österreich meistens für einen kurzen Aufenthalt und als Zwischenetappe auf ihrer Europatour. Individualgäste buchen meistens direkt oder über eine Reiseplattform. Sie haben bereits Reiseerfahrung und einige sind „Wiederholungstäter“. Bis 2019 waren das ungefähr 40 Prozent des Volumens und diese Gäste haben durchaus höhere Hotel-Kategorien gewählt, sind Akademiker in leitender Funktion und haben hohe Ansprüche hinsichtlich Digitalisierung und Service. „Diese Gäste werden in Zukunft auch im Winter nach Österreich reisen“, prognostiziert Lehner-Telič.
Von Chinas neuer Liebe für den Winter(-sport) kann freilich nicht nur der Tourismus profitieren. Heimische Hersteller von Seilbahnen, Beschneiungsanlagen, Zutrittssystemen und Skiausrüstung sind in China bereits gut im Geschäft. Man erwartet weitere positive Entwicklungen, wie wir im Gespräch mit Peter Schott, General Manager von Head, erfahren.
Der Sportartikelhersteller fühlt sich bestens darauf vorbereitet, einen sehr schnell wachsenden chinesischen Markt zu bedienen. Rückblickend war das Wachstum in den letzten Jahren im asiatischen Markt moderat, nicht zuletzt deshalb, weil erst die Infrastruktur (Lifte, Transportwege) geschaffen werden musste, um Skisport überhaupt erst zu ermöglichen. Derzeit ist China ein noch sehr kleiner Markt, aber jeder verkaufte Ski in der Weltmetropole Peking hilft den Standort abzusichern und auch Werbebudgets zu lukrieren. Hinsichtlich des Wachstums ist China der Hoffnungsmarkt der gesamten Branche, zumal alle etablierten Märkte gesättigt sind und sich auf einem mehr oder weniger konstanten Niveau bewegen.
Unsere Spitzensportlerinnen und -sportler sind unbestritten die wichtigsten Markenbotschafterinnen und -botschafter. Insofern ist der rot-weiß-rote Medaillenregen nicht nur aus sportlicher Sicht erfreulich. Er wirkt sich direkt auf das Image Österreichs aus. „Der Erfolg unserer Rennläufer kann sicher dazu beitragen, Österreich als ‚Wiege des Skisports‘ in den Köpfen der Chinesen zu verankern“, ist Peter Schott überzeugt.
Auch die Österreich Werbung hat Olympia für diverse Aktivitäten genutzt. Auf dem Gelände der Österreichischen Botschaft in Peking begeisterte ein „Winter Wonderland“ inklusive simulierter Fahrt in einer echten Gondel an mehreren Abenden namhafte Gäste aus der chinesischen Medien- und Reisebranche. Umgesetzt wurde das Event gemeinsam mit Botschaft, AUSSENWIRTSCHAFT AUSTRIA und der Tirol Werbung.
Da der Skisport für die meisten Chinesinnen und Chinesen Neuland ist, wird es vermutlich noch einige Jahre dauern, bis Ski-Gäste aus China für den Winter(-sport) -tourismus in Österreich von größerer Bedeutung sein werden. Der Übergang dürfte fließend sein. Immer mehr Gäste werden die Zeit in Österreich dazu nutzen, um zwei bis drei Tage im Schnee zu verbringen. Dabei hilft, dass die Skigebiete auch von Wien aus schnell und bequem erreichbar sind. Erfolgsentscheidend wird sein, dass die Branche auf die Bedürfnisse der chinesischen Gäste abgestimmte Angebote schnürt. Chinesisch sprechende Skilehrer, leicht zugängliche Informationen in chinesischer Sprache und breit verfügbare digitale Zahlungsmöglichkeiten sind Beispiele, die uns James Liang, Vorsitzender der Trip.com Group, im Interview nennt. Gerade haben die Österreich Werbung und die Trip.com Group eine Zusammenarbeit vereinbart und werden künftig gemeinsam daran arbeiten, Österreich für Winter(-sport) -gäste aus China attraktiv zu machen.
Für Österreichs Wintertourismus ist dies eine Zielgruppe mit Potenzial. Wann wir dieses Potenzial werden nutzen können? Erst einmal müssen die coronabedingten Reisebeschränkungen fallen. „Wir hoffen, dass dies noch im Laufe des heurigen Jahres der Fall sein wird und dass wir bald wieder Gäste aus China begrüßen dürfen. Und bei anhaltender Begeisterung für Schnee und Winter auch vermehrt im alpinen Raum“, sagt Lehner-Telič.