Markt Großbritannien

Der Markt Großbritannien im Zeichen des Brexits

Britische Urlauber kennen und schätzen Österreich vor allem als Winterdestination. Das hiesige Kultur- und Aktivangebot hat aber auch in den anderen Jahreszeiten viel Begeisterungspotenzial: Am liebsten reisen die Briten nämlich im Sommer.
Daran hat die Brexit-Entscheidung übrigens (noch) nichts geändert.

Auch wenn sich die Briten bis Redaktionsschluss immer noch nicht entschieden hatten, wann und wie sie die EU verlassen wollen, eines bleibt von den Brexit-Turbulenzen unberührt: die Reiselust der Briten.

In Großbritannien leben knapp 66,5 Mio. Menschen, die als ausgesprochen reisefreudig gelten. Seit 2012 haben sich die Reisen der Briten um 29 Prozent erhöht, allein 2017 unternahmen sie 72,2 Mio. Trips ins Ausland. 80 Prozent der Reisen führten sie nach Europa, hauptsächlich nach Spanien, Frankreich und Italien. Die Briten lieben die Länder am Mittelmeer, aber auch das Skifahren, worauf sie selbst in wirtschaftlich turbulenten Zeiten nicht verzichten möchten. Und sie suchen nach authentischen Urlaubserlebnissen.

Positive Entwicklungen

Und davon profitiert auch Österreich: „Seit 2012 gibt es laufend Steigerungen bei den Ankünften", freut sich Martina Jamnig, ÖW Markt Managerin in Großbritannien. In nackten Zahlen: 2018 verzeichnete Österreich aus UK knapp 996.000 Ankünfte (plus 5,8 Prozent) und 3,8 Millionen Nächtigungen (plus 1,7 Prozent). Erfreulich auch der Zwischenstand der aktuellen Wintersaison, die für November bis Februar bei den Ankünften ein Plus von 6,6 Prozent und bei den Nächtigungen ein Plus von 3,1 Prozent verzeichnet. Die Vorzeichen stehen also gut, dass der Winter 2018/19 das Vorjahresergebnis noch einmal übertreffen kann. Der Winter 2017/18 war der erfolgreichste seit dem Krisenjahr 2008.

Tatsächlich entfallen fast zwei Drittel aller Nächtigungen aus UK in Österreich in die Wintersaison. Dabei ist der britische Auslandsreisemarkt eigentlich ein Sommermarkt: 65 Prozent aller Auslandsreisen tätigen die Briten im Sommer. Ihre diesbezüglichen Vorlieben verrät die ÖW Länderstudie. Aus ihr geht zum Beispiel hervor, dass 53 Prozent der Briten Städtetrips bevorzugen. Themen wie „Seen und Berge“ oder „Aktivurlaub“ präferieren 9 beziehungsweise 7 Prozent der britischen Urlauber. In der Markenmessung 2017 gaben die befragten britischen Etablierten und Intellektuellen noch folgende wichtigen Urlaubsmotive an: Sightseeing, lokale Getränke und Speisen genießen, Natur erleben und Zeit für sich haben. Plus: „Radfahren und Wandern liegen in Großbritannien voll im Trend“, berichtet Jamnig.

Auch wenn Österreich beim Thema Sommer in den vergangenen Jahren aufgeholt hat, ist für die Markt Managerin klar: „Bei diesen Themen hat Österreich Potenzial, das wir noch verstärkt nutzen müssen.“ Value for money, Qualität, Gastfreundschaft und Gemütlichkeit sind Stärken, die es in der Kommunikation hervorzuheben gilt.

UK, ein Reiseveranstaltermarkt

Von der Inspirations- bis zur Buchungsphase spielt das Internet eine entscheidende Rolle. In den sieben Wochen vor der Buchung konsultieren Briten im Schnitt 121 Mal urlaubsbezogene Internetseiten. Hier liegt also viel Potenzial für Onlinemarketingaktivitäten. Trotzdem sollte man die Bedeutung „klassischer“ Kanäle nicht unterschätzen.

„Großbritannien ist weiterhin auch ein Reiseveranstaltermarkt“, gibt die Markt Managerin zu bedenken. Mit britischen Reiseveranstaltern zu kooperieren, biete in Anbetracht des Brexits eine gewisse Sicherheit, „vor allem mit jenen, die sich auf Special Interests spezialisiert haben“. Zu den aktuellsten Trends gehören etwa klassische Kategorien wie „Lakes & Mountains“, die aber im Zeitgeist der Nachhaltigkeit, Regionalität und „Mindfulness“, also der Achtsamkeit, reinterpretiert werden.

Im beliebten Bereich Citytrips punkten nicht nur die meistbesuchten Städte Wien und Salzburg mit kulturellen Highlights, moderner Infrastruktur und nahen Naturerfahrungen. Der Wunsch nach authentischen Erlebnissen ist ein weiterer Trend. Darum lohnt es sich auch, bislang Ungewöhnliches oder gar Unbekanntes hervorzuheben sowie auf die Nebensaisonen abseits der großen Tourismusströme hinzuweisen. Durch die hohe Reiseerfahrung der Briten steigt auch die Nachfrage nach besonderen und neuen Urlaubserlebnissen. In dieser Hinsicht weist die UK-Expertin vor allem auf die Zielgruppe der Millennials hin: „Sie suchen nach sehr individualisierten Trips, etwa zum Thema Fotografie oder Trekking.“ Last but not least: das Thema Solo-Urlaub, das sich laut ABTA’s Holiday Habits Umfrage seit 2011 verdoppelt hat. 2017 gab bereits einer von zehn Urlaubern an, seinen Urlaub allein verbracht zu haben.

Der Markt im Schatten des Brexits

Wie wird der Brexit die Reiselust beeinflussen? Das hängt sicher vom jeweiligen Szenario ab. Noch zeigen sich die Briten jedenfalls weitgehend unbeeindruckt. Laut ABTA war das Buchungsverhalten bis Ende Dezember 2018 unverändert stark. Seit Jänner ist allerdings Unsicherheit zu spüren, die Buchungen sind generell etwas rückläufig.

„Die Stimmung hier ist aber definitiv nicht so schlecht, wie es in Kontinentaleuropa vielleicht erscheint. Es gibt eine gewisse Unsicherheit bei den Konsumenten, aber es herrscht keine Panik. Die Briten nehmen das Thema Brexit insgesamt recht gelassen hin, ganz nach dem Motto: Keep calm and carry on“, berichtet Jamnig. Sobald es eine Entscheidung gibt – Deal oder No-Deal – sei mit einer Entspannung zu rechnen, da Konsumenten sich entsprechend vorbereiten könnten. „Diese Entscheidung sehnen die Briten herbei“, sagt Jamnig. Den hiesigen Touristikern geht es wohl nicht viel anders.

Was die Auswirkungen auf Österreich angeht, ist Jamnig vorsichtig optimistisch: „Gerade unsere Zielgruppe wird weiter reisen und sich das auch leisten können“, so die Expertin.