Junge Individualreisende und Familien sind die Wachstumstreiber auf dem boomenden Reisemarkt Südkorea. Österreich kann sich mit seinen alpinen und kulturellen Schätzen ein Stück vom großen Kuchen der Auslandsreisen sichern.
Endlich mehr Freizeit für die Südkoreaner: Im Juni 2018 kürzte die südkoreanische Regierung die maximale Wochenarbeitszeit von 68 auf 52 Stunden. Statt an sechs Tagen müssen die Südkoreaner nur noch an fünf Tagen in der Woche arbeiten – und gewinnen auch Zeit fürs Reisen. Dabei weist das Land des Kimchi und Gangnam Style schon jetzt die höchste Anzahl an Auslandsreisen pro Kopf weltweit aus. Mit 26,5 Millionen Auslandsreisen 2017 ist Südkorea nach China der zweitgrößte Outbound-Markt Asiens. Grund genug für die Österreich Werbung, mit Jahresbeginn 2018 eine Repräsentanz in Südkorea zu eröffnen.
Das Ziel der Marktaktivitäten ist, das Bild Österreichs als Urlaubsland bunter zu machen. „Derzeit wird Österreich hauptsächlich als Kulturdestination wahrgenommen, als Land der Musik und der Komponisten. Wir möchten dieses Image erweitern und rücken das alpine Österreich in den Fokus“, erklärt Michael Tauschmann, Markt Manager Südkorea. Gemeinsam mit Landestourismusorganisationen machte die ÖW heuer im Rahmen einer Kampagne auf das Urlaubsland Österreich aufmerksam. „In Tune with Austria“ stellte Österreichs alpine Kultur in den Mittelpunkt. Für 2019 geht die Kampagne in die Fortsetzung.
Die Aktivitäten verleihen der dynamischen Marktentwicklung Rückenwind: Von 2010 bis 2014 verzeichnete Österreich deutlich zweistellige Zuwachsraten bei Ankünften und Nächtigungen aus Südkorea, mit Zuwächsen von teils über 30 Prozent pro Jahr. Auch wenn die Kurve danach abflachte, zeichnen die Prognosen ein weiterhin positives Bild. Davon wird auch Österreich profitieren.
Für 2018 lagen zu Redaktionsschluss die Zahlen für Jänner bis Oktober vor. Hier weist die Statistik Austria 281.100 Ankünfte und 423.600 Nächtigungen von Südkoreanern aus. Das ist ein Plus von 4,4 beziehungsweise 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Unter den Destinationen ist Wien Spitzenreiter (47,5 Prozent), gefolgt vom Salzburger Land mit 29,3 Prozent. Die bevorzugte Reisezeit ist der Sommer (62,7 Prozent), wobei der Winter von Jahr zu Jahr an Bedeutung gewinnt.
Die Südkoreaner sind sehr reiseerfahren. Sie verlassen immer häufiger die touristischen Pfade, um ihren individuellen Weg zu gehen. Auch die Reiseveranstalter verlegen ihren Fokus von standardisierten Gruppenreisen zu Angeboten für die sogenannten FITs („Frequent Individual Travelers“). Angebote wie „Airtel“-Packages, die Flug und Hotel kombinieren, sind zwar nach wie vor gefragt, verlieren aber zugunsten individueller Arrangements an Bedeutung.
Die wichtigsten Zielgruppen sind junge Koreaner und Familien. Reiseveranstalter fragen außerdem verstärkt Angebote für die wachsende Zielgruppe der „Gold Misses“ nach: Die Gruppe der jungen, unverheirateten, gut gebildeten Frauen, die einen hohen soziokulturellen Status genießen. Sie sind selbstbestimmt und erlebnishungrig, unternehmen überdurchschnittlich häufig Fernreisen und sind dabei äußerst spendabel.
Bei den Urlaubsaktivitäten macht sich die neue Abenteuerlust der jungen Südkoreaner bemerkbar. Outdoor-Aktivitäten liegen im Trend und führten in den vergangenen Jahren zu einem Wander-Boom, der viele Chancen für Österreich bietet. Ihre Outdoor-Bekleidung tragen die Südkoreaner auch im Alltag, um ihren aktiven Lebensstil zu zeigen. Auch authentische Begegnungen mit der lokalen Bevölkerung, ihrer Kultur und ihren Lebensgewohnheiten sind bei der Zielgruppe beliebt.
Authentizität ist auch bei der Kulinarik gefragt, die als Reisemotiv in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Grundsätzlich bringen die Südkoreaner großes Interesse an den regionalen Küchentraditionen mit, die sie gerne in ihrer ganzen Vielfalt entdecken. Dabei haben die südkoreanischen Reisenden ihre kulinarischen Eigenheiten: Bei Salz und Zucker ist weniger oft mehr, die westliche Küche ist Koreanern oft zu stark gewürzt und zu fettig. Im Restaurant bestellen die Koreaner am liebsten gleich mehrere Gerichte und teilen sie miteinander. Warmen Speisen geben sie gegenüber kalten den Vorzug. Gerichte mit viel Käse sind weniger gefragt, dafür greifen die Südkoreaner gerne zu frischem Obst. Bei den Getränken wählen sie stilles Mineralwasser, Säfte und Bier. Wein gilt als Getränk für die ältere Generation.
Unterschiede gibt es auch bei der Mentalität. Der koreanische Alltag steht im starken Kontrast zur österreichischen Gemütlichkeit. „Bballi, bballi“ („Schnell, schnell“) ist die Devise im Familienleben ebenso wie in der Schule und im Job. Man arbeitet hart und fleißig. Das schlägt sich auch in einer ausgeprägten Servicekultur nieder.
Korea gilt als das am stärksten vom Konfuzianismus geprägte Land Ostasiens. Die wichtigsten Merkmale dieser Lehre zeigen sich besonders deutlich in der Regelung des menschlichen Zusammenlebens. Die Gesellschaft ist streng hierarchisch gegliedert, der Gruppe kommt mehr Bedeutung zu als dem Individuum. Rasante Veränderungen stellen das Land allerdings vor große Herausforderungen, da sich die Jugend in kleinen Schritten von den starren Denkweisen befreit. Das macht sie neugieriger und aufgeschlossener für neue Lebensweisen, die sie auch im Ausland kennenlernen.
Bei der Marktbearbeitung fokussiert die ÖW auf digitalen Content. Der ist in Südkorea überdurchschnittlich wichtig. Von den 51,5 Millionen Einwohnern verwenden 47,6 Millionen ein Smartphone. 81,6 Prozent der Bevölkerung haben bereits einen Social-Media-Account, darunter sämtliche Bevölkerungsschichten. Die Zahl der Nutzer sozialer Netzwerke wird in den kommenden Jahren voraussichtlich noch weiter steigen. Nirgendwo verzeichnete Facebook in den letzten Jahren höhere Anmelderaten als in Südkorea. Facebook ist derzeit noch der wichtigste Kanal, gefolgt von Instagram, Naver Band und Kakao Story. Laut Experten sollen YouTube, Instagram und Naver Blog 2019 weiter an Bedeutung gewinnen. Um die Zielgruppe über Social Media für Urlaub in Österreich zu begeistern, betreibt die ÖW Südkorea eine Seite im koreanischen Facebook und – seit November 2018 – auch einen Instagram-Account.
Bei aller Bedeutung von Onlinemedien ist der immer noch starke Einfluss des Fernsehens trotzdem nicht zu vernachlässigen. Koreanische Produktionen werden oft nach ganz Asien exportiert. Sowohl die TV-Produzenten als auch Wirtschaft und Politik sind sich des internationalen Einflusses ihrer Fernsehserien bewusst, die Südkorea als hochmodernes, schillerndes Land darstellen. Mit diesem „Nation Branding“ kurbelt Südkorea den Inlandstourismus an. Aber auch ausländische Destinationen können von der Beliebtheit des Fernsehens profitieren: Programme wie „All Around the World with Package Travels“ des südkoreanischen Senders JTBC TV wecken die Lust auf Auslandsreisen.
Südkorea weist weltweit die höchste Internetnutzungsrate auf, was Online-Content auf diesem Markt um so wichtiger macht.
Die schnelle Breitbandverbindung führt außerdem zu überdurchschnittlich hohem Engagement auf Social-Media-Plattformen sowie generell Online-Media.
Saisonverteilung 2017: 37,3% Winter und 62,7% Sommer.