Der Tourismusausblick mit Stand April 2023: überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum 2022, 2023 prognostiziert geringeres – noch mehr Urlaubsreisen als 2022 geplant – Themen sind Kultururlaub, naturnaher Urlaub, Kulinarik, Nachhaltigkeit und Mobilität – ab Spätsommer neue Nightjet-Garnituren für Wien–Rom
Die italienische Wirtschaft ist 2022 um 3,9 % gewachsen, eine im europäischen Vergleich überdurchschnittliche Entwicklung. Das liegt zum einen an der soliden Haushaltspolitik der Regierung und den Milliardengeldern des EU-Wiederaufbaufonds (PNRR-Projekte), an Italiens Exporten, die bereits über dem Vor-Corona-Niveau liegen, und zum anderen an einem Anstieg privater Investitionen und einem Boom im Tourismus. Für 2023 wird allerdings ein deutlich abgeschwächtes Wachstum von nur mehr 0,6 % erwartet. Italien bleibt die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone.
Die Arbeitslosenquote, die im Jahr 2022 bei 8,8 % lag, wird im Jahr 2023 auf 9,4 % steigen. Es wird erwartet, dass sich die Inflation nach 8,8 % im Jahr 2022 auf 5,2 % im Jahr 2023 abschwächen wird.
Eine große Herausforderung für Italiens Regierung bleibt weiterhin die Gesamtverschuldung, die die zweithöchste in der Eurozone ist. Die Regierung setzte daher auf einen Wachstumskurs mit Investitionen und Nachfragestimulierung. Trotz Belastungen durch die Inflationsentwicklung verfügen Italiens Familien weiterhin über ein solides Nettoprivatvermögen. In keinem anderen Land sind die privaten Haushalte so gering verschuldet. Die Spareinlagen sind in den vergangenen zehn Jahren stark gestiegen und bleiben eine beliebte Form der finanziellen Absicherung der Italiener*innen.
Eine große Chance und gleichzeitig eine Herausforderung stellt die Realisierung der Projekte aus dem EU-Wiederaufbaufonds (PNRR-Projekte) dar. Zu den wichtigen Projekten zählen vor allem jene in den Bereichen Infrastruktur, Digitalisierung, Gesundheit und Bildung.
Ein gesellschaftlich brisantes Thema ist auch die Migration. Italienische Aufnahmehäfen sind überlastet und Italien wünscht sich seitens der EU mehr Engagement, was eine gemeinsame Migrationspolitik betrifft.
Problematisch ist nach einem zu trockenen und niederschlagsarmen Winter und im Hinblick auf den Klimawandel die Wassersituation Italiens. Die italienische Regierung will an einem „Wasserplan“ arbeiten, wobei hier vor allem die Erneuerung der Wasserinfrastruktur (60 % des italienischen Wassernetzes sind über 30 Jahre alt und große Mengen an Wasser gehen auf dem Weg zu den Verbraucher*innen verloren) und eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Verbrauchseinsparungen zentrale Elemente sein sollen.
Die Reiselust und der Reisekonsum der Italiener*innen bleiben hoch. Ergebnisse des „EY Future Travel Behaviours Observatory“ zeigen einen Aufwärtstrend bei den Urlaubsreisen und eine Erholung von dem pandemiebedingten Rückgang, wobei die Italiener*innen ihre Reisehäufigkeit beibehalten oder erhöhen wollen, und zwar stärker als in anderen großen europäischen Ländern. So planen 89 % der Befragten mindestens eine Urlaubsreise im Jahr 2023, was eine Steigerung gegenüber 2022 darstellt. Italien weist auch den höchsten Prozentsatz an Reisenden in Europa auf, die die Anzahl ihrer Reisen im Jahr 2023 erhöhen bzw. das Reisen nicht einschränken werden. Jede*r Fünfte plant, die Reise- und Urlaubstätigkeit im Vergleich zum letzten Jahr zu erhöhen. Auf Reisen und Urlaub wird also nicht verzichtet, allerdings wollen die italienischen Urlaubsreisenden auf die Ausgaben achten, eventuell die Aufenthaltsdauer reduzieren, das Preis-Leistungs-Verhältnis besonders berücksichtigen oder verstärkt auch Reisen außerhalb der Saison nachfragen.
Die Suche nach Natur, Ruhe und Regeneration, insbesondere aber die Suche nach kulturellen Erlebnissen dominiert einmal mehr das Urlaubsinteresse der Italiener*innen. Große Aufmerksamkeit und großes Interesse zeigen die Reisebranche und die Urlaubskonsument*innen, was die Themen Kultururlaub, naturnaher Urlaub und Kulinarik anbelangt. Auch das Thema nachhaltige Mobilität ist omnipräsent.
Laut „EY Future Travel Behaviours Observatory“ sind die Auswirkungen des Reisens auf die Umwelt ein immer wichtiger werdendes Thema. Für etwa die Hälfte der Befragten ist die Umweltbelastung des Reisens ein wichtiger Faktor bei Reiseentscheidungen.
Für Österreich ist die Nachfrage sowohl für Stadt- und Kultururlaub- als auch für Erholungsurlaub gut. Städtetrips nach Österreich, aber auch kulturelle Rundreisen mit Entdeckungen und Besuchen von Kultur- bzw. Naturattraktionen sind bei italienischen Gästen für den Frühjahr und Sommer verstärkt nachgefragt. Besondere kulturelle Anlässe (z. B. Jubiläen, Sonderausstellungen, Burgen und Schlösser) sind nachgefragte Reiseanlässe. In Österreichs Städten und bei den Kulturinstitutionen ist eine starke Nachfrage von Schüler- und Studentengruppen festzustellen. Gesteigertes Interesse besteht auch an Spa- und Wellbeing-Angeboten. Reiseveranstalter berichten von der Herausforderung des gesteigerten Preisniveaus des österreichischen Angebots und von Schwierigkeiten, Unterkunftskapazitäten zu bekommen.
Als erdgebundene Nahdestination kann Österreich insbesondere bei Menschen aus dem einkommensstarken Norditalien punkten. Darüber hinaus gibt es ausgezeichnete Flugverbindungen von allen nationalen italienischen Flughäfen nach Österreich.
Die neue Nightjet-Verbindung von Genua nach Wien findet großen medialen Niederschlag, ab Spätsommer sollen Rom und Wien mit den neuen Nightjet-Garnituren verbunden sein.