Niederlande Nachhaltigkeit

Niederlande: Nachhaltigkeit

  • Im neuen Regierungsprogramm (12/2021) finden sich umfassende Nachhaltigkeitsinitiativen von der Kreislaufwirtschaft bis zur E-Mobilität.
  • Zwei Drittel der Niederländer*innen halten Nachhaltigkeit für wichtig und viele sind bereit, auch ihren Lebensstil anzupassen.
  • Müllreduktion, Energieverbrauch und nachhaltige Verkehrsmittel werden mit nachhaltigem Reisen in Verbindung gebracht

Nachhaltigkeit im Bewusstsein und der Einstellung der Menschen

Die Niederländer*innen sind von Natur aus gewissenhaft, umweltbewusst und nachdenklich gegenüber ihrer Landschaft. Sie haben einen Großteil des Landes durch die behutsame Rückgewinnung aus dem Meer aufgebaut und sind über Generationen von Landschaftspflege für Umweltfragen sensibilisiert (Quelle: Studie ÖW Amsterdam 2019). Zwei Drittel der Niederländer*innen interessieren sich für Nachhaltigkeit und halten sie für wichtig. Ein großer Teil der Niederländer*innen ist bereit, den eigenen Lebensstil für ein nachhaltigeres Leben anzupassen. 87 % gaben bei einer Umfrage von dpg Media an, dies bereits getan zu haben oder dies zu tun. Mit Blick auf die Zukunft sagten 80 %, dass Nachhaltigkeit in den kommenden Jahren noch wichtiger wird (Quelle: Umfrage dpg Media & Forschungsinstitut Panel Inzicht Mai 2021).

Nachhaltigkeitsinitiativen der neuen niederländischen Regierung (Dezember 2021)

Die neue niederländische Regierung setzt im neuen Regierungsprogramm umfassende Nachhaltigkeitsinitiativen – u. a. eigener Klima- und Energieminister, Reduktion der CO2-Emissionen um 80 % bis 2040, Einführung des wissenschaftlichen Beirats „Climate Change Committee“, Kreislaufwirtschaft im Bereich Lebensmittel und Landwirtschaft, Erhöhung der Steuer auf Flugtickets, Förderung der E-Mobilität, Entwicklung & Produktion von synthetischem Kerosin etc.

Nachhaltigkeitsprojekte bei Unternehmens- und Regierungsinitiativen

In vielen Unternehmen in den Niederlanden ist das Thema Nachhaltigkeit bereits ein fixer Bestandteil der Strategie. Wer z. B. ins Flugzeug steigt, hat fast immer die Möglichkeit, die Kosten des CO2-Ausstoßes zu kompensieren. In der Praxis sind Reisende jedoch derzeit kaum bereit, für umweltfreundlicheres Fliegen extra zu bezahlen.

  • Bei der KLM entscheiden sich nur rund 2 % der Reisenden für eine CO2-Ausstoß-Kompensation, bei Transavia ca. 6 % und bei De Jong Intra Vakanties 1,5 %.
  • Seit einigen Wochen verrechnet KLM den Fluggästen eine „Grüne Prämie“ (1 bis 12 Euro Aufpreis für die Beimischung von nachhaltigem Treibstoff); jeder Fluggast kann auch selbst zusätzlich Biokraftstoff kaufen (De Telegraaf, 31.1.2022).
  • EasyJet und Sunweb zahlen die CO2-Kompensationen für alle ihre Reisenden selbst. Auch TUI bitten die Fluggäste um einen Beitrag von 2 Euro pro Reise und verdoppelt den Beitrag dann für konkrete nachhaltige Projekte.
  • Auch bei der Bahn gibt es Initiativen, wie z. B. mit dem „Klima-Sonderzug“ 2021 zur COP26-Klimakonferenz von Amsterdam nach Glasgow zu reisen. An Bord gab es Workshops, Diskussionen und Seminare, um auf eine nachhaltige Reisebranche aufmerksam zu machen.*5
  • Eine weitere Initiative in den Niederlanden ist das Projekt „Hyperloop“ (Firma Hardt Hyperloop in Delft). Es handelt sich dabei um ein Transportmittel, das eine Geschwindigkeit von bis zu 1000 km/h pro Stunde erreichen soll (15 Millionen Euro Subvention von der Europäischen Kommission im Oktober 2021). Bereits in Planung ist ein europäisches Testzentrum für Hyperloop-Reisen in Groningen, das 2023 fertiggestellt werden soll (Subvention 4,5 Millionen Euro von der niederländischen Regierung, Baukosten insgesamt rund 30 Millionen Euro). Das Unternehmen arbeitet u. a. mit dem Flughafen Schiphol zusammen. Die Idee ist, dass Hyperloop-Reisen bis 2050 einen Teil der Kurzstreckenflüge ab Amsterdam ersetzen.
  • Im November 2021 erhielten acht Projekte eine staatliche Unterstützung von 150 Millionen Euro für sauberere und intelligentere Mobilität (beteiligt sind 109 Unternehmen und 27 Forschungseinrichtungen aus der Automobilbranche, Luftfahrt und Schifffahrt).
  • Mitte 2021 wurden 4,6 Milliarden Euro für nachhaltige Projekte zur Verfügung gestellt. Bei vollständiger Realisierung aller Projekte soll die CO2-Reduktion insgesamt 3,29 Megatonnen pro Jahr betragen.
  • Im Februar 2021 wurde eine Weltneuheit in den Niederlanden von KLM, Shell und dem Ministerium für Infrastruktur und Wasserwirtschaft präsentiert: Der erste kommerzielle KLM-Passagierflug mit synthetischem Kerosin wurde durchgeführt. Bis 2050 sollen Fluggesellschaften vollständig mit nachhaltigem Treibstoff fliegen können.
  • Mitte 2021 wurde der gemäß eigenen Angaben längste Solar-Radweg der Welt in der Provinz Utrecht eröffnet. Der Radweg produziert genügend Strom für 40 Haushalte.
  • Die Niederlande haben auch in Sachen Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen die Nase ganz weit vorn. Derzeit gibt es über 500 000 Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen, bis 2025 sollen es 600 000 werden. Der derzeit größte Fahrradabstellplatz befindet sich am Bahnhof Utrecht und hat 12 500 Stellplätze, womit er der größte Europas ist. In Amsterdam entsteht bis 2030 der größte Fahrradabstellplatz der Welt mit 22 000 Stellplätzen.

Die achtsamen niederländischen Konsument*innen und ihr Kaufverhalten

Die niederländischen Konsument*innen achten vermehrt auf gesunde, regionale und nachhaltige Ernährung. Es ist ihnen wichtig, wo das Essen herkommt, welche Zutaten enthalten sind und welchen Weg die Mahlzeit zurückgelegt hat, um auf den Teller zu kommen. 2017 stiegen die Ausgaben für Bioprodukte um 30 % auf über 3,6 Milliarden Euro, was einem Anteil von 12 % an den Gesamtausgaben der Verbraucher*innen für Essen entspricht, ein weiterer Anstieg wird erwartet (Quelle: Kulinarik Studie ÖW 2019 & Delicious 2020 Foodtrends),  

Niederländische Verbraucher*innen schätzen regionale Produkte mit einem geringen CO2-Fußabdruck, aber wenn es darauf ankommt, entscheidet oft der Peis. Sie sind sich der Notwendigkeit der Nachhaltigkeit bewusst und handeln auch danach – solange es nicht mehr Geld kostet.

E-Autos in den Niederlanden

Die Zahl der Plug-in-Hybride stieg in einem Jahr um 38 % (76 000) auf über 273 000 Anfang 2021. Vor allem die Zahl an reinen E-Autos ist im vergangenen Jahr stark gewachsen (63 %).

Einstellung der Niederländer*innen zu nachhaltigem Reisen

Eine Umfrage von Booking.com (Publikation: Juli 2021, Umfrage: März 2021) in den Niederlanden ergab:

  • 77 % der niederländischen Reisenden wollen weniger Müll produzieren.
  • 71 % möchten den Energieverbrauch senken, 74% häufiger umweltfreundliche Verkehrsmittel nutzen.
  • 59 % möchten auf Reisen authentische, für die lokale Kultur repräsentative Erfahrungen sammeln.
  • 69 % halten die Verbesserung des kulturellen Verständnisses und die Bewahrung des kulturellen Erbes für äußerst wichtig.
  • 58 % möchten, dass die wirtschaftlichen Vorteile des Tourismus gleichmäßig auf alle Gesellschaftsschichten verteilt werden.
  • 59 % wollen 2022 in nachhaltigen Unterkünften übernachten (ein Anstieg von 5 % gegenüber 2020)
  • 49 % haben im vergangenen Jahr nicht in nachhaltigen Unterkünften übernachtet (25 % von dieser Gruppe wussten nicht, dass es solche Unterkünfte gibt, 28 % konnten keine nachhaltigen Optionen in der ausgewählten Destination finden, 18 % wussten nicht, wie man solche Unterkünfte findet, ein Drittel (33 %) war der Meinung, dass es in diesem Jahr nicht genügend nachhaltige Reisemöglichkeiten für ihren Geschmack gibt).

Beim Thema Reisen zählt in den Niederlanden:

  • Wunsch nach Individualisierung und unbekanntere Urlaubsorte entdecken;
  • außergewöhnliche Erlebnisse unternehmen und sich dabei wie Einheimische fühlen;
  • Bedürfnis nach bewussten und nachhaltigen Reisen;
  • Rücksicht auf die Umwelt bei der Wahl des Verkehrsmittels, der Reisedestination und der Unterkünfte.

Do good, feel good!

Besonders junge Tourist*innen sind engagiert, einen positiven Beitrag für die Umwelt zu leisten, und der Umgebung, die sie besuchen, etwas zurückzugeben. Dieser Trend wird bereits vielfach aufgegriffen, z. B. Öko-Unterkünfte wie „ZeroBnB“ oder „Fairbnb“, Angebote zum Mitwirken der Strandreinigung oder CO2-Kompensationsplattformen wie fly.green.

  • TUI hat in den Niederlanden im März 2021 das Nachhaltigkeitslabel TUI Fair Travel eingeführt, das insgesamt mehr als 1000 Unterkünfte mit einem Umweltzeichen umfasst. Reisende, die bei TUI Fair Travel Reisen buchen, zahlen zwei Euro pro Person. Der Beitrag wird von TUI auf verdoppelt und dann in Nachhaltigkeitsprojekte investiert. Die Hälfte der Summe wird in die Entwicklung lokaler Projekte und die andere Hälfte in die nachhaltigere Gestaltung der Mobilität investiert.
  • Auch Booking.com erleichtert nachhaltiges Reisen mit der Einführung des „Sustainable Travel Badge“, eines Nachhaltigkeitssiegels, das Unterkünfte mittels Zertifizierung erhalten. Dies trägt dazu bei, ein breiteres Angebot an nachhaltigen Aufenthalten zu fördern und Reisenden anzubieten. Ziel ist, nachhaltiges Reisen branchenweit transparenter zu machen.

Auch andere Reiseveranstalter haben bereits nachhaltige Reisen im Programm. Daher kann davon ausgegangen werden, dass sowohl ein Interesse an als auch eine Nachfrage nach bewusstem und nachhaltigem Reisen bestehen. Da viele dieser Neuerungen noch sehr jung sind, wird sich erst in naher Zukunft zeigen, inwieweit das Angebot auch angenommen wird.