Emilia Rosa Orth-Blau/Pfluegl

Gründen in der Krise

Gründen in der Krise

Und plötzlich war Pandemie … Wir sprechen mit Menschen, die mitten in der Krise neue Betriebe gründen. Menschen, die uns eindrucksvoll zeigen: Echter Unternehmergeist lässt sich von einem Coronavirus nicht stoppen.

Den Tourismus hat Covid-19 besonders schwer getroffen. Das schlägt sich auch in der Zahl an Neugründungen nieder. 2020 gab es im Tourismus um 13 Prozent weniger Neugründungen als im Jahr davor. Ein im Vergleich zu den Einbrüchen bei Umsätzen und Nächtigungen moderates Minus. Das ist jenen heimischen Unternehmerinnen und Unternehmern zu verdanken, die fest an ihre Geschäftsidee glauben und optimistisch in die Zukunft blicken. Mit drei dieser mutigen Gründerinnen und Gründern haben wir gesprochen.  

Hoteldirektor in Kurzarbeit

Als Sebastian Draxl zusagte, die Leitung des Berghotel Biberkopf in Warth am Arlberg zu übernehmen, hätte er sich nie träumen lassen, dass er wenige Monate später gemeinsam mit seinen Mitarbeitern in Kurzarbeit das Ende einer Pandemie abwarten würde. Das Vier-Sterne-Haus war noch nicht fertig gebaut, als Corona der geplanten Öffnung einen Strich durch die Rechnung machte. In Gefahr war das Projekt nie, die Finanzierung war dank namhafter österreichischer Investoren gesichert. Doch mit der­  andauernden Ungewissheit stieg die Gefahr, gute Fach­kräfte könnten abspringen. Online-Meetings sowie Aus- und Weiterbildungsangebote hielten den Teamgeist im Lockdown aufrecht und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Stange.

„So komisch es klingt, aber die Corona-Krise hat der Baustelle die übliche Hektik genommen“, sagt Draxl. „Durch die Coronavorschriften hat sich die Anzahl der Bauarbeiter auf der Baustelle reduziert und mit dem verschobenen Eröffnungstermin war der Zeitdruck weg. Das kommt der Qualität zugute.” Draxl und sein Team nutzten die zusätzliche Zeit auch, um bei Logistik und dem Marketingkonzept an Details zu feilen. Davon erhofft sich das Management auf lange Sicht Kostenersparnisse. Und eine reibungslose Eröffnung im Sommer 2021.

Bio-Menüs auf Vorrat

Die frischgebackene Modul-Tourismusschulabsolventin Emilia Orth-Blau traf die Corona-Krise sofort mit voller Härte. Als jüngste Mitarbeiterin eines Cateringunternehmens war sie unter den ersten, deren Job dem Sparstift zum Opfer fiel – trotz hervorragendem Lebenslauf und Praktika bei namhaften Gastronomen. Heute ist sie ihre eigene Chefin. Die Initialzündung zu ihrem Start-up kam eher zufällig. „Ich liebe Kochen, aber der tägliche Aufwand, um sich wirklich gesund zu ernähren, ist schon erheblich”, sagt die 20-Jährige. Also kochte sie für die komplette Woche vor. Das war bequemer, blieb in ihrem Umfeld aber nicht unbemerkt. Bald kochte sie auch für Freunde vor. Und deren Freunde. „Innerhalb kürzester Zeit produzierte ich die Wochenrationen für 15 Personen”, erzählt Orth-Blau.

Daraus entstand die Idee, einen professionellen Take-away-­Service anzubieten. Dazu holte Emilia Orth-Blau zwei Schulfreunde ins Boot. „Im Lockdown hatten wir genügend Zeit, gemeinsam an unseren Kreationen zu experimentieren.” Dann ging alles ganz schnell. In der Tourismusschule war die Jungunternehmerin jahrelang darauf vorbereitet worden, ein Unternehmen zu führen. Das Kapital kam aus dem privaten Bausparvertrag. Bei den Behördenwegen war die Wirtschaftskammer eine große Unterstützung. „Innerhalb von drei Wochen waren wir mit Rosa & Blau Food startklar”, erzählt die Gründerin. Umweltschutz ist ihr ein wichtiges Anliegen. Deshalb achtet Orth-Blau nicht nur auf biologische Zutaten, sondern auch darauf, Verpackungsmüll zu vermeiden. Zum Einsatz kommen wiederverwendbare Pfandboxen: mikrowellen-, gefrierschrank- und geschirrspülmaschinentauglich. Und natürlich luftdicht verschließbar, denn auch in der Selbstständigkeit kocht die Gründerin auf Vorrat, nämlich immer fünf Menüs für eine komplette Woche.

Noch sind Studierende und Büroangestellte die Hauptzielgruppe. „Aktuell sind wir in der Startphase, aber wir können uns in Zukunft durchaus vorstellen, unsere gesunden und nährstoffreichen Menüs zum Beispiel auch Campingzentren oder kleinen Hotels anzubieten”, sagt Orth-Blau.

Persönliche Beratung schlägt Internet

Mitten in der Krise ein Reisebüro gründen? Klingt für viele abwegig, aber nicht für Ilona Pargfrieder, nunmehr ehemalige Mitarbeiterin im Linzer Reisebüro „My Way Reisen“. Als ihre Chefin im Zuge der Pandemie das Handtuch warf, sah Pargfrieder das als Chance. Das Geschäftslokal übernahm sie zwar nicht – die Laufkundschaft blieb im Lockdown naturgemäß aus –, aber sie übernahm den Firmennamen und das Konzept. „Ich habe My Way Reisen neu gegründet und fange nochmal klein an“, sagt die Neo-Selbstständige. Um die Risiken gering zu halten, ist sie vorerst die einzige Angestellte. Pargfrieders Büro ist ihr Eigenheim rund 20 Kilometer nordwestlich von Linz.

Wie kann man in der Krise ein Reisebüro aufsperren? Die Reaktionen im privaten und beruflichen Umfeld reichen von Bewunderung bis Unverständnis. „Jemandem, der komplett bei null anfängt, würde ich nicht empfehlen, in Zeiten wie diesen ein Reisebüro zu gründen“, sagt die Unternehmerin. „Ich habe 20 Jahre Erfahrung und nehme aus der Vorgängerfirma einen Großteil der Stammkunden und Anbieter mit. Mein Netzwerk stärkt mir den Rücken. Das hat mich ermutigt, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.“

Als ihr eigener Boss kann sie sich für jeden Kunden, für jede Kundin so viel Zeit nehmen wie notwendig. „Ich mache sogar Hausbesuche“, erzählt Pargfrieder. Die 40-jährige Oberösterreicherin ist überzeugt, dass individuelle Betreuung für Reisebüros der Weg ist, um gegen die Internet-Konkurrenz zu bestehen. Zwei Jahre gibt sie sich für die Bestätigung dieser These Zeit. Wenn das Geschäft gut läuft, will sie dann doch ein Geschäftslokal in der Stadt eröffnen.

Nach der Krise durchstarten

„Auf mittlere und lange Sicht wird der Tourismus in Österreich sicherlich ein großes Comeback feiern”, sagt Elisabeth Zehetner-Piewald, Bundesgeschäftsführerin des Gründerservice in der Wirtschaftskammer Österreich. Das Gründerservice hilft angehenden Unternehmerinnen und Unternehmern in über 90 WKO-Servicestellen in ganz Österreich auf dem Weg in die Selbstständigkeit. „Es gibt Geschäftsmodelle, die auch im Lockdown gut funktionieren und in ihren Nischen wachsen können”, sagt Zehetner-Piewald.

Ein Großteil der Gründerinnen und Gründer hat den geplanten Start im Krisenjahr 2020 nicht verschoben. Der überwiegende Teil ist von der eigenen Geschäftsidee so überzeugt, dass er trotz aller Widrigkeiten an den Plänen festhält. „Das ist ein Spirit, der Vorbildwirkung haben sollte. Diesen Mut, Unternehmergeist und Tatendrang werden wir brauchen, damit Österreich nach dieser Krise durchstarten kann”, sagt Zehetner-Piewald.