Weintourismus

Weintourismus

Das Weinland Österreich ist einzigartig. Wein- und Kulinarikurlauber sind auf der Suche nach Genuss, Entspannung und Information. Worauf sie sonst noch Wert legen und welche Trends sich auftun, lesen Sie hier.

Umgeben von Natur inmitten duftender Gärten sitzen und dazu ein Glas Wein genießen: Für viele die perfekte Erholung vom stressigen Alltag. Wer im Urlaub Wein und Kulinarik erfahren möchte, wird in Österreich fündig. Weintourismus ist hierzulande in den vergangenen Jahren zum beliebten Individualreisethema geworden. Und weltweit betrachtet bildet Wein- und Kulinariktourismus eines der am stärksten wachsenden Tourismussegmente. Von den Wein- und Kulinarikurlaubern in Österreich, für die der Genuss dieser regionalen Produkte das wichtigste Urlaubsmotiv ist, stammen laut der Gästebefragung T-MONA 45 Prozent aus dem Inland, 31 Prozent aus Deutschland, gefolgt von Italien und der Schweiz. Besonders die Städter haben es auf Österreichs Weinangebot abgesehen: Der Anteil an Urlaubern aus einem urbanen Umfeld liegt bei 67 Prozent. Kulinarikurlauber sind überdurchschnittlich gebildet und verfügen über ein gehobenes Gehalt, 58 Prozent sind Stammgäste. Auch wenn das Thema meist nicht das zentrale Urlaubsmotiv ist: An Österreichs Kulinarik kommt kaum ein Gast vorbei.

KENNER UND GENIESSER

Isa Svec, Präsidentin von Weinreisen Österreich, unterscheidet zwei Zielgruppen für Weinreisen: „Die Weinkenner beschäftigen sich intensiv mit Wein, weisen einen hohen Wissensstand auf und suchen Fachinformationen. Sie bilden die wachstumsstärkste Zielgruppe.“ Aber auch die Gruppe der Wein- und Genussreisenden wird immer größer: Dabei schließen häufig Paare einen „Wein-Wellness-Kompromiss“ und kombinieren das Weinerlebnis mit weiteren hochwertigen Angeboten. Das war nicht immer so – Svec erinnert an Zeiten des „Kofferraumtourismus“: „Man hat sich den Kofferraum beim Winzer mit Wein vollgeladen und reiste wieder ab. Heute ist Wein zum wertgeschätzten Kulturgut und Statussymbol geworden.“ Potenzial ortet Svec noch beim hochwertigen Bettenangebot, da die Nachfrage das Angebot in vielen Gebieten bei Weitem übersteige. Laut Wilhelm Klinger, Geschäftsführer der Österreich Wein Marketing, sind Zimmer direkt am Weingut sowie die zahlreichen Qualitätsbuschenschänken und Topheurigen besonders gefragt. Der Gast legt außerdem Wert auf die hochwertige, bodenständige Gastlichkeit, die den österreichischen Weintourismus ausmacht.

KURZE DISTANZEN

Die Weinvielfalt Österreichs ist aufgrund der Geografie des Landes eine Besonderheit: „Nirgendwo sonst sind so unterschiedliche und hochwertige Weinspezialitäten in derart kurzen Distanzen erreichbar. Diese Kleinstrukturiertheit ist einzigartig – und macht Österreich zum Weinfeinkostladen der Welt“, so Svec. Denn nur rund ein bis zwei Fahrstunden rund um die Hauptstadt Wien erreiche man die schönsten Weingebiete Niederösterreichs, des Burgenlands und die Weinregionen der Steiermark. Das umfassende Weinangebot ergänzt sich harmonisch mit Kulinarik, Wandern, Wellness und Kultur. Diese Komplementärleistungen würden zunehmend wichtiger, sagt Bernhard Schröder, Geschäftsführer von Donau Niederösterreich Tourismus. Das Interesse am Produkt sei auch durch das differenzierte Weinangebot in der Gastronomie geweckt worden, Wein habe hier einen größeren Stellenwert bekommen. Die Gäste wollen deshalb mehr über die angebotenen Sorten und deren Herkunft wissen.

DIE JUNGEN RÜCKEN NACH

Und während Weinreisen bisher die Altersgruppen ab 35 und ab 50 Jahren ansprachen, wird das Thema nun auch für junge Menschen wichtiger: Besonders „Natural Wines“ und „Orange Wines“, welche durch den langen Kontakt mit den Traubenschalen bei der Maischegärung eine orange Farbe erhalten, seien bei dieser Zielgruppe gefragt, sagt Schröder. Sie besuchen etwa Gourmetfestivals, um dort Winzer zu treffen, die sich der Herstellung dieser Weinsorten verschrieben haben. Dass Wein zum Lifestyle- und Trendprodukt geworden ist, zeigt sich an den modernen Verpackungsdesigns ebenso wie an den neuen Formaten für Weinpräsentationen in angesagten Lokalitäten. So kommen beispielsweise Clubbings wie „Sound of Wine“ bei der jungen Zielgruppe gut an. Motor dieser Entwicklung ist die Generation junger Winzer, die neue Gäste für den Wein begeistert.

WERTSCHÄTZUNG FÜR PRODUKTE

Die Urlauber reisen heute mit sehr konkreten Vorstellungen an und legen großen Wert auf Serviceleistung und Qualität. Besonders im Bereich Mobilität besteht noch Aufholbedarf. Die Südsteirische Weinstraße reagierte auf die Nachfrage, die vor allem den Tagestourismus betrifft, und rief vor sechs Jahren das Mobilitätsservice WEINmobil ins Leben. Durch die Kooperation mit mehreren Taxiunternehmen sind die Gäste sicher und bequem unterwegs. Den Bedarf nach einem urbanen Shoppingangebot deckt in der Südsteiermark die Weinstadt Leibnitz ab, wo sich die Gäste mit hochwertigen regionalen Produkten eindecken. Das wiederum nützt der Region: „Ein begeisterter Gast betreibt das beste Marketing“, so Herbert Germuth, Vorsitzender der Südsteirischen Weinstraße.

GESCHICHTEN UND GESICHTER

Die Wertschätzung für das Produkt und dessen Herkunft steht auch in der Loisium WeinErlebnisWelt in Langenlois im Fokus. „Wein lebt von Geschichten und Gesichtern“, sagt Karl Steininger, Winzer und Miteigentümer des Loisiums. Durch den Kontakt zum Wein und zum Winzer entstehe ein anderer Zugang zum Wein. Das Wissen über die Herstellung fördere das Qualitätsbewusstsein, wodurch die Gäste auch eher bereit seien, ein paar Euro mehr pro Flasche auszugeben. Um den Besuchern die Vielfalt des Weins nahezubringen und sie zum Wiederkommen zu animieren, müsse sich das Angebot stetig weiterentwickeln, so Steininger. Künftig werde im Loisium etwa auch das Thema Sekt aufgegriffen. Die Kundenbindung zu stärken, das gelingt im Burgenland mit Projekten wie „Rent a Weinstock“, bei dem die Gäste selbst zu Hobbywinzern werden. Sie kommen mehrmals im Jahr zu ihrem eigenen Weinstock, um ihn zu pflegen und schließlich die Trauben zu ernten. Das schaffe Identifikation mit dem Produkt und nachhaltige Erinnerungen, schildert Christian Zechmeister, Geschäftsführer von Wein Burgenland. Das Angebot passe sich an das veränderte Urlaubsverhalten der Gäste an, das sich durch kürzere, dafür häufigere Aufenthalte auszeichne.

ARCHITEKTUR IM WANDEL

Der Fokus auf Regionalität und Authentizität ist für den Weintourismus besonders wichtig. Dazu bekennen sich die Weingüter auch mit ihrem äußeren Erscheinungsbild: In vielen Betrieben wurde investiert, die Verkostungsräume ausgebaut und an eine edle und elegante Linie angepasst. Das Loisium in Langenlois ist mit seiner Bauweise ein gutes Beispiel für die Verbindung von Wein und moderner Architektur. Durch die Kombination mit traditionellen Bauelementen, Holz und Glas, bleibt dennoch die Verbundenheit zur Region erhalten. Um die Chancen, die das Segment des Weintourismus bietet, noch besser nutzen zu können, ist Zusammenarbeit gefragt. Zu diesem Schluss kommt die Untersuchung „Weintourismus in Österreich“, die 2016 von Christina Pauschenwein und Sabine Slatner-Steiner an der Wirtschaftsuniversität Wien durchgeführt wurde. Durch verstärkte Kooperationen der Weingebiete auf überregionaler Ebene, eine bessere Vernetzung von Wein- und Tourismusmarketing sowie den Ausbau von Social-Media- und Onlinemarketing könnten weitere Zielgruppen auf den Geschmack gebracht werden, so das Fazit.