Österreich vor der Kamera

Österreich vor der Kamera

Nicht nur die Stars, auch die Drehorte haben in Filmen und Serien große Auftritte. Lesen Sie hier über die Projekte der großen Traumfabriken und wie sich Österreich als Filmstandort behauptet.

Filmproduzenten aus dem In- und Ausland kommen in Österreich ins Schwärmen. „Ich habe eine lange Reise durch viele Länder hinter mir, um das hier zu finden“, erzählt Szenenbildner Dennis Gassner am ersten Drehtag für den James-Bond-Film „Spectre“ vor dem modernen „ICE Q“-Restaurant auf rund 3.000 Meter Höhe in Sölden. „Wir haben genau diese einzigartige, moderne Anlage gefunden, die wir gesucht haben.“ Mit einer großen Vielfalt an Landschaften – vom Gletscher über imperiale Schlösser bis hin zu mediterran anmutenden Seen – bringt Österreich eine breite Auswahl an Locations für Filmschaffende mit. Besonders die Städte Wien, Salzburg und Innsbruck haben sich in den großen Traumfabriken einen Namen gemacht. Auch die gute Infrastruktur, die bis in abgelegene alpine Gebiete reiche und ausreichend Kapazitäten für die Beherbergung und Beförderung ganzer Filmcrews mit bis zu 1.000 Leuten biete, mache die Attraktivität Österreichs als Filmland aus, berichtet Ari Bohrer, Leiter der österreichischen Filmkommission „Location Austria“. Nur ein österreichisches Filmstudio fehle noch, um sich im Wettbewerb behaupten zu können: Österreichs größte Konkurrenten im Kampf um internationale Topproduktionen, Ungarn, Italien und Tschechien, lägen hier im Vorteil.

LUKRATIVE GÄSTE

Wenn Kino- und TV-Produktionen in Österreich Station machen, klingeln die Kassen. Die Produktion von „Spectre“ brachte laut Tirol Werbung 8,9 Mio. Euro produktionsbedingte Einnahmen etwa für Unterkunft, Verpflegung, Transport und Mieten. Insgesamt seien an den 31 Tiroler Drehtagen 30.000 Nächtigungen durch Cast und Crew verzeichnet worden, hieß es. Unbezahlbar ist der Werbewert, den renommierte Produktionen wie diese für die Regionen generieren. „Spectre“ brachte für Tirol einen geschätzten Werbewert von 100 Mio. Euro. Allein bis zum Ende der Dreharbeiten im Februar berichteten mehr als 2.000 Medien weltweit über die Filmproduktion in Sölden und dem Osttiroler Obertilliach.

REISELUST WECKEN

Nicht nur spannende Verfolgungsjagden und leidenschaftliche Küsse hinterlassen beim Publikum nachhaltige Eindrücke: Die beeindruckenden Schauplätze, die den Filmmoment so besonders machen, bleiben in Erinnerung und wecken bei den  Zuschauern auch die Reiselust. Die Cineasten möchten selbst die Orte erkunden, wo Filmgeschichte geschrieben wurde, und deren Atmosphäre persönlich nachfühlen. Die bewegten Bilder wecken erwiesenermaßen die Sehnsucht nach Reisezielen. Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens TCI Research aus 2015 besuchen mehr als 50 Mio. internationale Touristen Destinationen aufgrund von Eindrücken aus Filmen. Die positiven Effekte durch die Präsenz in Film und Fernsehen lassen sich klar an den Gästezahlen ablesen.

So zog die Region Wilder Kaiser in Tirol nach der Ausstrahlung der Erfolgsserie „Der Bergdoktor“ im letzten Jahr innerhalb von sechs Wochen 2.000 Gäste aus Slowenien an. „Der Erfolg hat uns alle überrascht, da der Tourismusverband Wilder Kaiser diese Zielgruppe zuvor gar nicht auf dem Radar hatte“, berichtet Johannes Köck, Leiter von Cine Tirol. Auch in Irland sind sich Touristiker der positiven Wirkung von Filmproduktionen im eigenen Land bewusst. Mit etwa 9,6 Mio. Besuchen verzeichnete das Land im Jahr 2016 einen Gästerekord. Niall Gibbons, Geschäftsführer Tourism Ireland, führt den Anstieg der Besuchszahlen klar auf die Präsenz in Filmen und Serien zurück, die auf der ganzen Welt für Irland werben. Die mystischen Landschaften der grünen Insel waren in den Schlussszenen von „Star Wars Episode VII“ und der Fernsehserie „Game of Thrones“ zu sehen. Eine Flaute muss Irland nicht befürchten: Die Insel Skellig Michael wird auch in der Episode VIII der Saga als Schauplatz dienen, die Ende 2017 in die Kinos kommt.

AN FILMERFOLGE ANKNÜPFEN

Touristiker können von diesem Bedürfnis profitieren und mit attraktiven Angeboten „nachhelfen“, um ihre Drehorte zu touristischen Anziehungspunkten zu machen. Rund um den Wilden Kaiser lädt der „Bergdoktor“ persönlich dazu ein, auf dem Bergdoktor-Radwanderweg in Mieming die Schauplätze der Serie zu erkunden oder bei den Fanwochen den Schauspielern persönlich die Hand zu schütteln. Irland bietet für Serienfans Reiseangebote zu den Schauplätzen von „Game of Thrones“ an. Die Gäste reisen ganz im Stil der Fantasy-Serie im Boot oder mit dem Pferd zu den Locations und üben sich ganz in mittelalterlicher Manier im Bogenschießen. Und auch Großbritannien versteht es zauberhaft, breitenwirksame Filme touristisch zu verwerten: Im Alnwick Castle, wo Harry Potter erste Flugstunden auf dem Besen hatte, kann man heute Quidditch-Unterricht nehmen. Auch eine Fahrt mit dem Jacobite Steam Train, dem Hogwarts Express, und ein Besuch auf der Plattform 9 3/4 an der Kings Cross Station bietet Einblicke in die Welt des prominenten Zauberschülers. Laut einer Information der britischen Tourismusbehörde sind die Besucherzahlen dort seitdem um 230 Prozent gestiegen.

Auch Hotellerie und Gastronomie können sich als filmtouristische Anziehungspunkte positionieren. Die „Leading Hotels of the World“, eine Allianz von Luxushotels und Resorts mit über 400 Mitgliedern, stellt auf ihrer Website mehr als 80 Hotels vor, die in den letzten Jahrzehnten Schauplätze berühmter Filme waren. Die User erhalten Informationen etwa zur Story des Films und zur Rolle des Hotels. Im luxuriösen „Isle of Eriska Hotel“ in Schottland, in dessen Umgebung Drehorte  von James-Bond-Filmen liegen, dürfen Gäste selbst Geheimagent spielen. Wer das „James Bond Package“ bucht, ist mit einem noblen Aston Martin DB9 zu den Filmschauplätzen unterwegs, besucht die „Martini Cocktail Masterclass“ und cruist im Speedboat übers Meer.

MIT ZUSCHÜSSEN LOCKEN

Eine schöne Kulisse allein reicht nicht aus, um das Interesse internationaler Filmemacher zu wecken. Filmproduktionen gehen gerne dorthin, wo es sich preiswert produzieren lässt. Dort, wo man sich vielleicht auch zusätzliche Kameras leihen, Studiokapazitäten mieten und ausreichend Unterkünfte für das Filmteam buchen kann. Finanzielle Unterstützung durch Filmförderungsfonds ist gefragt. In Österreich sei durch die Filmförderung FISA bereits eine gute Basis geschaffen worden, dennoch bestehe viel Luft nach oben, erklärt Köck. Denn im Rennen um Filmprojekte buhlt Österreich mit Ländern wie Deutschland und Großbritannien, aber auch mit osteuropäischen Staaten, die in puncto Finanzierung großzügig auftreten, wenn es um die Gunst von Hollywood und Co. geht.

BOLLYWOOD IN TIROL

Cine Tirol ist eine von sechs österreichischen Filmkommissionen, die in den Bundesländern eingerichtet wurden und für die Bewerbung und Akquise von Filmprojekten sowie für die Betreuung der Produktionen vor Ort zuständig sind. Neben Österreich und Deutschland rührt Cine Tirol auch in Filmzentren in den USA, Indien und China die Werbetrommel. Seit der Gründung im Jahr 1988 konnte die Organisation über 400 Filmproduktionen nach Tirol führen. Hervorragend entwickelte sich in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mit indischen Produktionsfirmen. Der Riesensaal der Hofburg in Innsbruck und das Goldene Dachl sowie Alpendörfer wie Praxmar und Kuhtai dienten beispielsweise erst kürzlich als Schauplätze für den indischen Actionfilm „Tiger Zinda Hai“. Im Vorjahr wurde die Soap-Opera „Pardes Mein Hai Mera Dil“ in Innsbruck gedreht, die wöchentlich in 70 Mio. indischen Haushalten über den Bildschirm flimmert. Nach mehr als 80 indischen Filmproduktionen in Tirol entwickelte der Reiseveranstalter Eurotours ein spezielles Reiseangebot für indische Gäste. Im Rahmen der Tour werden die originalen Drehorte aus Bollywoodfilmen besucht, wie z. B. Innsbruck, Kitzbühel, das Stubaital, der Achensee und die Swarovski Kristallwelten.

DEM KULTLIED GEWIDMET

Das SalzburgerLand setzt dem Lied „Stille Nacht, heilige Nacht“ 2018 ein filmisches Denkmal. Denn das Weihnachtslied, das vom Salzburger Land aus die ganze Welt eroberte, feiert 2018 sein 200-jähriges Jubiläum. Das Salzburger Landestheater und ein Kreativteam aus Hollywood arbeiten derzeit an dem Stück „Silent Night Story“, das am 24. November 2018 in der Salzburger Felsenreitschule Premiere feiern soll. Die Produktion liegt in Händen eines erfahrenen, internationalen Teams, das sich mit einem frischen Blick der großen Bedeutung und Tradition dieses Liedes nähert. Für die Musik konnte der Filmkomponist John Debney gewonnen werden, der die Musik vieler großer Hollywood-Produktionen wie „Ice Age“ und „Sin City“ komponiert hat. „Das Jubiläumsjahr 2018 bietet uns die große Chance, die Friedensbotschaft des Liedes auch international nachhaltig mit dem SalzburgerLand und dem heimischen Musikerbe zu verknüpfen“, sagt Leo Bauernberger, Geschäftsführer des SalzburgerLand Tourismus.

WIEN IM SCHEINWERFERLICHT

Auch Wien steht als Filmlocation hoch im Kurs. Insgesamt wurden 2016 547 Filmprojekte unterschiedlichster Größenordnung zur Bearbeitung bei der Vienna Film Commission eingereicht. Insgesamt 111 internationale Produktionen haben um eine Drehgenehmigungen angesucht. Die gefragtesten Motive im Zuständigkeitsbereich des Wiener Magistrats waren 2016 die Gärten, Parkanlagen, Teiche und Spielplätze der Wiener Stadtgärten, gefolgt von den Wiener Märkten, den Wiener Bädern und der „via donau“, die für den Donaukanal und die Donauinsel verantwortlich zeichnet. Maßgeblich am Erfolg der Filmlocation Wien beteiligt sei die starke Wiener Film- und TVFörderung, berichtet Marijana Stoisits, Geschäftsführerin der Vienna Film Commission.  Um den Filmstandort Wien international stärker zu positionieren, benötigt Wien ihrer Meinung nach dringend neben der bestehenden kulturellen Filmförderung eine eigene wirtschaftliche Filmförderung für internationale Produktionen auf Basis eines „Cash-rebate-Systems“, das die Beschäftigung Wiener Filmschaffender voraussetzt. Wien müsse mit Prag, Warschau, Budapest und Bratislava mithalten, die sich mit Incentives für internationale Film-, TV- und Internetproduktionen überbieten würden, fordert Stoisits. Der überwiegende Teil der Dreharbeiten in Wien waren heimische TV-Produktionen, allen voran Serienerfolge, in denen die Stadt Wien nicht nur Drehort, sondern auch Schauplatz der erzählten Geschichten ist: „Vorstadtweiber“, „Soko Donau“, „Schnell ermittelt“ und „CopStories“, aber auch Mini-Serien wie „Das Sacher“ oder internationale Reihen wie „Tatort“ und „Spuren des Bösen“.

ÖSTERREICHISCHE PRODUKTIONEN GEFRAGT

Denn auch heimische Produktionen tragen Bilder aus Österreich in die ganze Welt. Zu den Verkaufsschlagern bei internationalen Broadcastern zählen ORF-Universum-Dokumentationen, aber auch fiktionaler Content aus Österreich erfreut sich großer Beliebtheit. Die MIPTV im Frühjahr und die MIPCOM im Herbst zählen zu den wichtigsten Verkaufsplätzen für einen Lizenzvertrieb mit europäischem Content. Die MIPTV, die Messe für TV-Programme und digitalen Content, zählt jährlich etwa 3.900 Programmeinkäufer. Die ORF-Enterprise durfte sich dabei heuer im April über gute Verkaufserfolge freuen. Die deutsche WDR sicherte sich die Serienerfolge „Bösterreich“ und „Altes Geld“. Alle vier Staffeln von „Vier Frauen und ein Todesfall“ werden demnächst bei Viacom in Italien zu sehen sein. AXN Mystery aus Japan hat sich nach der erfolgreichen Premiere 2016 ebenfalls mit zwei weiteren Staffeln von „Vier Frauen und ein Todesfall“ eingedeckt. Und die beiden Serien „Schnell ermittelt“ und „Soko Kitzbühel“ erwiesen sich als Erfolge etwa in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Slowakei und Tschechien. Damit sich die Filmteams in Österreich wohlfühlen, ist auch die Unterstützung durch die Bevölkerung gefragt. Um die Menschen vor Ort für das Projekt zu begeistern, setzt Köck auf Information und Zusammenarbeit. So ist man bei Cine Tirol bemüht, Premierenfeiern an den Drehorten auszurichten, um die Einwohner einzubinden. „In Tirol, wo jedes kleine Dorf einen eigenen Theaterverein hat, sind die Menschen meist rasch zu begeistern und freuen sich, als Komparsen im Bild sein zu dürfen“, erzählt Köck.

ZU VIEL DES GUTEN

Manchmal nimmt die Aufmerksamkeit, die ein Drehort nach dem Filmerfolg bekommt, auch überhand: Nach dem Erfolg des Hollywoodfilms „Notting Hill” musste die blaue Tür des Hauses, in dem Hugh Grant im Film wohnt, aufgrund des Besucheransturms überstrichen werden. Und der Buchladen, ebenfalls Schauplatz im Film, wurde geschlossen: Zu viele Touristen wollten einfach nur schauen und Fotos machen, gekauft wurde aber nichts.