Mitten im Geschehen

Mitten im Geschehen

Im Sattel eines Fahrrads lassen sich Städte komfortabel und flexibel erfahren. Wie die Routen angelegt sein sollen, um runde Erlebnisse zu ermöglichen, hat das bu//etin recherchiert.

Das Fahrrad erfreut sich als umweltfreundliches, preiswertes und schnelles Nahverkehrsmittel großer Beliebtheit.

Nicht nur im Alltag der Österreicher, sondern auch auf dem Urlaubsprogramm der Gäste spielt das Fahrrad eine wichtige Rolle. 13 Prozent der Sommergäste haben 2014 einen Rad- beziehungsweise Mountainbike- Urlaub in Österreich verbracht. Unter den sportlichen Aktivitäten rangiert das Radfahren gleich nach dem Wandern und dem Schwimmen bzw. Baden auf Platz drei: Ein Fünftel aller Sommerurlauber trat im Urlaub zumindest einmal in die Pedale.

Das zeigen die jüngsten Ergebnisse der Gästebefragung T-MONA. Dass das Radfahren als Urlaubsaktivität an Bedeutung gewinnt, spiegeln die Zahlen aus Deutschland wider: Die Anzahl der Radtouristen, die eine Radreise mit mindestens drei Übernachtungen in Deutschland unternommen haben, ist von 2014 bis 2016 um 30 Prozent auf 5,2 Mio. gestiegen. 74 Prozent davon waren Streckentouren mit wechselnden Unterkünften. Zu diesem Schluss kommt die Travelbike- Radreiseanalyse 2017 vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). Darüber hinaus zählte die Studie 150 Mio. Tagesausflüge mit dem Fahrrad. Radreisende sind eine attraktive Zielgruppe: Laut der ADFC-Studie sind Radurlauber überwiegend Akademiker und verfügen über ein höheres Einkommen als der durchschnittliche Urlaubgast. Pedelecs, also Fahrräder mit elektrischer Unterstützung, sind vorwiegend bei älteren, weiblichen Radreisenden gefragt. Und 46 Prozent der Radreisenden haben neben ihrem Radurlaub auch eine Städtereise unternommen, die Zielgruppen dieser beiden Urlaubsarten überschneiden sich also stark.

IMAGEFAKTOR FÜR STÄDTE

Wer Städte im Sattel eines Fahrrads erkundet, kann in kurzer Zeit die Sehenswürdigkeiten entdecken und das urbane Ambiente hautnah erleben. Außerdem hätten Radfahrer einen flexibleren Bewegungsradius als im Bus oder zu Fuß und könnten anhalten, wann immer sie wollten, erzählte Gabi Bangel, Leiterin der Abteilung Tourismus beim ADFC bei einem Vortrag auf der diesjährigen Tourismusmesse ITB. Städte, die für Radfahrer attraktiv sind, können auch von positiven Imageaspekten profitieren – etwa Kopenhagen, das sich als die Rad-Hauptstadt Europas einen Namen gemacht hat. Radfahrer, Einheimische ebenso wie Touristen sind außerdem eine vielversprechende Zielgruppe für den innerstädtischen Handel. Wie Studien des österreichischen Umweltministeriums (BMLFUW) und der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern e. V. (AGFK Bayern) zeigen, besuchen fahrradfahrende Personen den lokalen Einzelhandel häufiger als Pkw-Fahrer – der schnelle Halt ist einfacher mit dem Rad als mit dem Auto. Außerdem werden Geschäfte und Auslagen auf dem Rad viel besser wahrgenommen.

ROUTEN MIT DRAMATURGIE

Entlang von Radrouten lässt sich das vorhandene touristische Angebot aufwerten und in Szene setzen, weiß Rainer Mühlnickel, Berater im Büro für Stadt- und Regionalentwicklung (BÖREGIO). Dabei stehen das Thema der Tour und die Sehenswürdigkeiten im Gesamtzusammenhang und schaffen ein „Flow-Erlebnis“. Auf Basis von Erkenntnissen des Erlebnisexperten Christian Mikunda hat Mühlnickel ein Modell für die Dramaturgie von Radrouten entwickelt. Am  Startpunkt, etwa bei einer Touristeninformation, soll der Gast Auskunft über das touristische Angebot erhalten und erfahren, was ihn entlang der Strecke erwartet. Es folgt die Expositionsphase, die Detailinformationen zum Thema bieten sollte. Den Höhepunkt der Tour kann etwa eine herausragende Sehenswürdigkeit markieren. Danach fällt der Spannungsbogen über die Reflexionsphase bis zum Endpunkt ab, wo etwa eine Gaststätte zum Besuch einlädt. Die Routen sollen sich einem authentischen Thema widmen und dieses vielfältig erlebbar machen. Als vorbildliches Beispiel nennt Mühlnickel die Bauhaustour in Dessau, Sachsen- Anhalt: Sie führt auf einer Strecke von 22 Kilometern durch die Stadt und führt zu Objekten im Stil der Bauhausarchitektur, welche die Stadt prägt. Um das Thema noch konsequenter umzusetzen, empfiehlt Mühlnickel die Errichtung von Möbeln, die zum Zwischenstopp einladen, und einer Fahrradstation im Bauhausstil.

DEM KULTMUSICAL GEWIDMET

In Salzburg sind Besucher mit „Fräulein Maria’s Bicycle Tour“ zu den Schauplätzen des Kultmusicals „Sound of Music“ unterwegs. „Wir bringen unsere Gäste an Plätze, die andere nur von der Straße aus sehen“, berichtet Veranstalter Rupert Riedl. Neben umfassenden Infos zur Geschichte der Stadt und zum Film kommen die Besucher auch an Drehorten des Filmklassikers vorbei, wo sie von den Guides dazu animiert werden, beim Singen und Tanzen das Lebensgefühl der Familie Trapp nachzuspüren. Eine gute Mischung aus Information und aktivem Erleben mache eine gelungene Tour aus, ist Riedl überzeugt. Die Zahl der Gäste, die vorwiegend aus den USA, Australien, Kanada und Großbritannien kommen, steigt jährlich an. Salzburg bietet beste Voraussetzungen fürs Radfahren, denn die Innenstadt ist gänzlich autofrei und das bestehende Radwegenetz sehr gut ausgebaut, so Riedl.

ORIENTIERUNG ERLEICHTERN

Laut ADFC, der auch Zertifizierungen für Radrouten anbietet, entscheidet auch eine ausgewogene Wegführung über die Attraktivität einer Tour – urbane Sehenswürdigkeiten sind ebenso wichtig wie Grünräume. Auch eine sichere, durchgängige Befahrbarkeit der Routen zählt zu den Qualitätskriterien. Die Radwege sollen als Strecken, Netze oder Rundwege angelegt und mit einem eindeutigen Logo gekennzeichnet sein, um die Orientierung zu erleichtern. Wer sein Rad abstellen oder sein Gepäck abgeben möchte, soll an Radstationen und Gepäckboxen dazu Gelegenheit habe.