Brücken bauen

Brücken bauen

Wie sich Kulturbetriebe öffnen und neuen Zielgruppen den Weg zur zeitgenössischen Kunst ebnen können, darüber hat das bu//etin mit Barbara Steiner, Leiterin des Kunsthauses Graz, gesprochen.

bu//etin: Sie leiten seit Mitte 2016 das Kunsthaus Graz. Was haben Sie sich vorgenommen?

Barbara Steiner: Ich bin angetreten, um die globale Agenda des Kunsthauses beizubehalten und auszubauen und gleichzeitig mit der Situation vor Ort zu verbinden. Das spiegelt sich im Programm wider: Im Herbst 2017 zeigen wir eine Ausstellung zum Kunsthaus und dessen Architekten Peter Cook und Colin Fournier. Wir beleuchten den Entstehungsprozess der Architektur des Kunsthauses und präsentieren gleichzeitig Grazer Architekten derselben Generation, die auf verschiedenen Ebenen im Austausch zu den britischen Kollegen standen und stehen. Im Herbst 2018 planen wir eine Ausstellung zur kongolesischen Kunst. Auch wenn es überraschen mag, es gibt eine Reihe historischer und gegenwärtiger Verbindungen zwischen der Steiermark und dem Kongo, denen wir in der Schau nachgehen – ob es junge Kongolesen waren, die in der Steiermark ihre Ausbildung erhielten, oder in jüngster Vergangenheit, Fiston Mwanza Mujila, ein ehemaliger Stadtschreiber und bis heute in Graz lebender Autor. Der lokale und regionale Bezug ist mir wichtig, gleichzeitig braucht es aber auch stets Impulse von außen.

Was konnten Sie bereits umsetzen?

Ich habe mich zunächst einmal hinter den Kulissen bewegt und Strukturen der Zusammenarbeit verändert. Das Kunsthaus ist Teil des Universalmuseums Joanneum, eines großen Apparats mit sehr ausgeprägten Arbeitsteilungen. Das eröffnet viele Möglichkeiten, setzt aber auch Grenzen. Wir werden in Zukunft mehr in kuratorischen Teams arbeiten. Außerdem haben wir unsere Katalogproduktion überdacht, um die Information mehr in die Breite zu tragen: Unser handlicher Ausstellungsführer und das „Faltblatt für Eilige“ sind in einer einfachen Sprache verfasst. Die Texte sollen auch für Laien gut verständlich sein.

Was fasziniert Sie an der Kunst- und Kulturbranche?

Mich fasziniert, dass es in diesem Bereich nach wie vor sehr viele Idealisten gibt. Sie haben den Glauben nicht verloren, in der Gesellschaft etwas bewirken zu können. Dazu zähle ich mich auch.

Als Sie als neue Leiterin präsentiert wurden, meinte Lentos-Chefin Stella Rollig, Sie würden für Graz „brennen“. Was begeistert Sie an dieser Stadt?

Mich begeistert einiges: Zum einen liegt Graz geografisch ideal. Zum anderen hat Graz im Kulturbereich eine interessante Vergangenheit und eine lange Tradition im Transdisziplinären vorzuweisen. Derzeit haben einige, im positiven Sinne ambitionierte Persönlichkeiten wichtige Funktionen im Kulturbereich inne. Sie alle wollen in dieser Stadt etwas voranbringen.

Sie sind mit Kulturbetrieben in den Metropolen der Welt vertraut. Was können sich Österreichs Kunst- und Kulturstätten von internationalen Vorbildern abschauen?

Kooperation und Vernetzung sind außerhalb Österreichs üblicher. Institutionen von Weltrang wie die Tate Modern in London, das Centre Pompidou in Paris und das Whitney Museum in New York tun sich zusammen und kaufen gemeinsam Kunst an, es handelt sich gewissermaßen um eine Koeigentümerschaft. Hinter der  L’internationale verbirgt sich ein Verband von sechs modernen und zeitgenössischen Kunstinstitutionen in Ljubljana, Madrid, Barcelona, Antwerpen, Istanbul und Eindhoven. Es gibt tatsächlich interessante Modelle, wie Ressourcen, Kräfte und Expertisen gebündelt und gemeinsam genutzt werden können. Es empfiehlt sich stets, über die Grenzen hinauszuschauen, aber auch immer wieder den Blick nach innen zu lenken und zu beobachten, was vor Ort geschieht.

Wie haben sich die Bedürfnisse des kunstaffinen Publikums verändert?

Das Publikum hat sich in immer kleinere Gruppen ausdifferenziert, die hohe Ansprüche haben und kaum zur Deckung zu bringen sind. Ich glaube, es ist an der Zeit, Brücken zu bauen und die Kräfte in Verbindendes zu investieren, statt Kleinstinteressen erfüllen zu wollen.

Wo liegen die Herausforderungen bei der Vermittlung zeitgenössischer Kunst?

Man braucht Anreize, die den Besuchern einen Einstieg ermöglichen. Für mich gilt es bei jeder Ausstellung zu bedenken: Wie schaffen wir Anknüpfungspunkte für Menschen, die mit zeitgenössischer Kunst nicht viel anfangen können?

Im Foyer des Kunsthauses Graz diskutieren Sie einmal monatlich mit Besuchern über Kunst. Inwiefern ist Ihre Institution auch ein Ort der Interaktivität?

Wir möchten den Besuchern die Hand reichen und dazu einladen, auch scheinbar „dumme“ Fragen gemeinsam zu bearbeiten. Die ersten Fragen habe ich eingebracht, es sind solche, die mir häufig gestellt werden. „Wer definiert, was Kunst ist?“ „Wie entsteht eine Ausstellung?“ „Warum kosten Kunstwerke Millionen?“ Man kann mir aber auch Fragen schicken. Ich bereite dazu einen Vortrag vor, danach kommen wir miteinander ins Gespräch. Das Format ist sehr gut besucht und es wird unglaublich viel diskutiert.

Wie entwickelt sich die Zusammenarbeit mit dem Tourismus?

Ich stehe hier noch am Anfang und lerne dazu – etwa, dass der Tourismus Informationen mit sehr langer Vorlaufzeit braucht. Die Voraussetzungen sind gut: In Graz gibt es das „Tourismus Club Frühstück“, bei dem sich Menschen aus dem Kunst-, Kultur- und Tourismusbereich treffen und austauschen. Eine sehr spannende Veranstaltung, die die Vielfalt der Angebote deutlich macht und den Austausch fördert.

Wo liegen Ihre persönlichen Vorlieben, wenn es um Kunst geht?

Das könnte man folgendermaßen beschreiben: Ich liebe die unorthodox betriebene geometrische Abstraktion. Beispiele wären Mira Schendel, Lygia Clark und Roberto Burle Marx. Meine Vorlieben spiegeln sich aber nicht im Ausstellungsprogramm des Kunsthauses wider. Die Institution hat einen gesellschaftlichen Auftrag und soll nicht meinen Vorlieben Rechnung tragen.

Sie haben in Ihrer Karriere bereits die Bekanntschaft vieler großer Künstlerpersönlichkeiten gemacht. Welche hinterließen einen besonderen Eindruck?

Bei einer meiner Ausstellungen in der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig blieb unerwartet die Finanzierung aus. Die Einladungen waren schon verschickt und viele bekannte Künstler engagiert. Zu unserer großen Überraschung haben uns sämtliche Künstler dann auch ohne Honorar und auf eigene Kosten Arbeiten geschickt – darunter sehr Prominente wie etwa William Kentridge, Lynn Hershman und Adrian Piper. Hier zeigt sich wieder: Künstler sind oft Idealisten, für die Geld nicht alles ist.

Was sind die Highlights des Ausstellungsprogramms 2017?

Ich weigere mich immer, von einem Highlight zu sprechen, weil dies von der jeweiligen Perspektive abhängt. Für viele Menschen in der Steiermark mag Erwin Wurm das Highlight sein, für Fachleute ist es vermutlich Koki Tanaka, da er international gerade durchstartet. Für mich persönlich sind die beiden Architektur-Ausstellungen im Herbst besonders wichtig, vielleicht auch, weil ich seit einem Jahr sehr intensiv daran arbeite.

Wo verbringen Sie Ihre Ferien am liebsten?

Ich bin dauernd unterwegs, in die Ferne zieht es mich daher nicht. Ich freue mich eher, wenn ich in der Nähe bleiben kann, etwa in der Südsteiermark oder im Weinviertel, wo es schön ruhig und das Klima angenehm ist.