Wechsel im Chefsessel

Wechsel im Chefsessel

Eine reibungslose Übergabe des Unternehmens an einen Nachfolger erfordert Zeit, genaue Planung – und vor allem den Willen, das „Lebenswerk“ loszulassen. Hier einige Tipps und Anregungen zur gelungenen Übergabe.

Für mehrere Tausend KMUs steht in den nächsten zehn Jahren ein Generationenwechsel in der Unternehmensführung an, fast eine halbe Mio. Arbeitsplätze hängen von der erfolgreichen Unternehmensnachfolge ab. Für die österreichische Hotellerie und Gastronomie, die sich durch einen sehr hohen Anteil von familiengeführten Klein- und Mittelbetrieben auszeichnet, bringt die Übergabe viele Herausforderungen mit sich. Denn sich von seinem Lebenswerk zu lösen, ist besonders für Unternehmer eine hochemotionale Angelegenheit.

FAMILIENBETRIEBE GEFORDERT

Oft scheint es naheliegend, den Betrieb an die Kinder zu übergeben, die diesen kennen und vielleicht sogar selbst eine Tourismusausbildung genossen haben. So schön es auch ist, wenn sich der Nachwuchs für den Betrieb interessiert – es ist nicht selbstverständlich. Und selbst wenn die Kinder in die Fußstapfen der Eltern treten möchten, ist eine Übergabe ein komplexer Prozess, der Zeit und Flexibilität erfordert. Gerade innerhalb der Familie ist die Übergabe oft besonders schwierig: Jung und Alt werden sich nicht handelseinig, innerfamiliäre Konflikte belasten das Gesprächsklima oder Differenzen über die zukünftige Geschäftspolitik lassen sich nicht aus dem Weg räumen.

KONFLIKTEN VORBEUGEN

Dass Konflikte zwischen Übernehmer und Übergeber oft Stolpersteine beim betrieblichen Generationenwechsel sind, zeigte auch eine Befragung, die von Deloitte Tirol und der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) im Rahmen des „Tourismusbarometer 2017“ durchgeführt wurde. Häufig beklagen die Übernehmer, dass ihre Vorgänger die Kontrolle nicht abgeben können. Daraus resultieren vielfältige Probleme: Übernehmer können den Betrieb oft nicht nach ihren Vorstellungen führen, während die Übergeber frustriert ihr Lebenswerk schwinden sehen. Auch für die Mitarbeiter kann diese Übergangsphase schwierig sein, wenn sie unterschiedliche Weisungen von Junior und Senior bekommen. Zu den drei wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine gelungene Betriebsübergabe zählen die befragten Touristiker die frühzeitige Mitarbeit des Nachfolgers im Betrieb, eine offene Gesprächskultur und die Unterstützung durch die Familie.

FINANZEN ALS STOLPERSTEIN

Erschwert wird die Situation auch durch die Sorge um die finanzielle Zukunft des Betriebs: Denn eine Übernahme stellt eine durchaus kritische Situation dar, bei der die Weichen für den wirtschaftlichen Erfolg der Zukunft gestellt werden. Die Hälfte der Befragten empfindet die hohen Steuerlasten und Investitionen in Zusammenhang mit gewerberechtlichen Auflagen als drückend. Ebenso viele Übernehmer haben mit Investitionsrückstau und Betriebsschulden bzw. persönlichen Schulden des Übergebers zu kämpfen. Auch jene Betriebe, die optimal begleitet werden und steuerlich durchdachte Gesellschaftskonstrukte gründen, klagen über die mit der Betriebsübergabe verbundenen Kosten.  

VORBEREITUNG ENTSCHEIDEND

Je länger der Betrieb in der Familie ist, desto wichtiger wird die Fortführung der Ideale und Werte durch die Nachfolger – aber desto seltener liegen schriftliche Strategien vor. Eine Studie der KMUForschung Austria zeigt, dass rund die Hälfte aller Unternehmensübergaben in der Praxis vorzeitig, also vor Antritt der regulären Pension, erfolgt. Denn vieles im Unternehmerleben ist nicht planbar: Krankheit und persönliche Schicksale können jeden ereilen und Hoteliers und Gastronomen plötzlich unvorbereitet aus dem Unternehmerleben reißen. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig klare „Notfall-Regelungen“ zu treffen, was in einem solchen Fall zu geschehen hat. Dazu zählt der Abschluss geeigneter Versicherungen ebenso wie ein verantwortungsbewusst erstelltes Testament.

HARMONISCHER ÜBERGANG

Bei der Planung einer Übergabe können einen objektive Beratung und Moderation von außen sehr wertvoll sein und mögliche Konfliktpotenziale von Anfang an deutlich reduzieren. Die individuell passende Gesellschaftskonstruktion kann so zum richtigen Zeitpunkt geschaffen werden. Außerdem können im Zuge einer Umgründung auch Steuervorteile lukriert werden. Wenn es dann später zur tatsächlichen Übergabe kommt, geht diese rasch und reibungslos über die Bühne und verursacht keine großen Kosten mehr. Ein Nachfolger kann auch formell Verantwortung tragen, ohne dass der Senior bereits ausscheidet oder die Entscheidungsmacht abgibt. Denn sich von einem Tag auf den anderen aus dem Betrieb zu verabschieden, gelinge nur in den seltensten Fällen, erklärt Bernhard Baumgartner, der sich mit seinem Unternehmen familyfirm.at auf die Beratung von Familienunternehmen spezialisiert hat. Häufig brächten die jungen, gut ausgebildeten Touristiker modernes Knowhow in Sachen Betriebsführung mit, das bei den Eltern nicht immer Anerkennung finde. Hier lohne es sich, sich für die Übergabe Zeit zu nehmen und die Leistungen messbar zu machen, meint Baumgartner. Mit einer klaren, schriftlich festgelegten Aufgabenverteilung könne die Übergangsphase bis zum endgültigen Ausscheiden der Eltern aus dem Betrieb so harmonischer verlaufen und auch für das Unternehmen positive Effekte bringen.

UNTERSTÜTZUNG FÜR DURCHSTARTER

Wer einen Betrieb übernimmt, kann auch auf finanzielle Unterstützung zählen. Im Rahmen des „TOP-Tourismus- Impulses“ stellen das Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) und einige Bundesländer Mittel zur Verfügung, um Aufwendungen bis zu 250.000 Euro mit einem einmaligen Zuschuss von 15 Prozent zu fördern. Dazu zählen der Erwerb eines Unternehmens, Ablösezahlungen und bauliche Maßnahmen, die im Zuge der Übernahme erfolgen. Darüber hinausgehende Modernisierungsarbeiten sowie bauliche und sonstige Investitionen, die während oder in den Jahren nach der Betriebsübernahme erfolgen, werden über den ERP-Fonds der Europäischen Union durch Fixzinskredite gefördert. Sie werden seitens der Länder über die ersten zehn Jahre zinsfrei gestellt. Ansprechpartner ist die Österreichische Hotel- und Tourismusbank (ÖHT).