Jahresbericht 2019: Die Marke Urlaub in Österreich

Interview mit Michael Scheuch, Bereichsleiter Brand Management der Österreich Werbung

Im Tourismus entscheiden starke Marken über Erfolg und Wertschöpfung von Destinationen, weil sie potenziellen Gästen Orientierung und Entscheidungssicherheit geben. Die mediale Informationsdichte nimmt ständig zu und relevante Zielgruppen benötigen Unterstützung von der Inspirations- bis zur Buchungsphase, während ihres Aufenthaltes und danach. Nur durch die Strahlkraft einer starken Marke gelingt der Ausweg aus einem Preiswettbewerb. Urlaubsmarken drücken in verdichteter Form die Spitzenleistung einer Destination aus. Gibt die echte und erlebbare Leistung eines Landes eine Antwort auf dominierende Sehnsüchte der Zielgruppe, entwickelt sich Begehrlichkeit und Anziehungskraft.

Wie verändert sich Kommunikation?

Die letzten Jahre im Geschäft mit Kommunikation standen im Zeichen der Digitalisierung. Gerade im Tourismus zeigt sich, wie sehr die gesamte Customer Journey von digitalen Medien und Plattformen beeinflusst wird. Auf etablierten Märkten beginnt bei den wertschöpfungsintensiven und reiseaffinen Zielgruppen ein überwiegender Anteil der Urlaubsentscheidungen auf der Suchmaschine oder in sozialen Netzwerken. Diese Entwicklung zieht sich fort in den Phasen der Buchung, des Erlebnisses und der Reflexion und hat dazu geführt, dass einige mächtige Player den Werbe-/Vertriebsmarkt und dessen Preise diktieren.
 
Parallel werden Reisende selbst zu Produzenten und Publishern ihrer Erfahrungen in sozialen Netzwerken und beeinflussen Buchungsentscheidungen Dritter zunehmend signifikant. Die Kommunikationsmacht von Urlaubsdestinationen ist verloren gegangen und eine Destinationsmarke muss sich darauf einstellen, im besten Fall Teil eines Gesprächs zu werden. Denn die neuen Opinion Leader zu unterschiedlichen Interessensgebieten sind die digitalen, stark vernetzten Opinion Leader. Zuhören, verstehen und Impulse sowie Antworten zu geben wird zu einer zentralen Aufgabe in der Kommunikation.

Wie werden Reisedestinationen heutzutage kommuniziert?

Die Anforderung der Zielgruppen an Inhalte rund um das Thema Reisen wandelt sich mit derselben Dynamik. Relevante und nutzenstiftende Inhalte rücken ins Zentrum des Interesses der Reisenden, was einen neuen Anspruch an die Kommunikation mit sich bringt. Content-getriebene Kommunikation wird zur Meisterklasse und gleichzeitig zur Antwort auf den oft monopolistisch geprägten Werbemarkt. Destinationen sollten nicht mehr wie Werber denken, sondern wie Broadcaster im Sinne der eigenen Marke.
 
Reine Werbebotschaften verlieren an Kraft und werden zunehmend teurer. Nutzenstiftende Inhalte, die seriös und mit einem hohen redaktionellen Anspruch recherchiert, aufbereitet und publiziert werden, gewinnen hingegen an Relevanz für die Inspirations- und Informationsphase der interessanten Zielgruppen der Zukunft. Der Unterschied zu einem klassischen Journalisten bestehender Medien, der sich mit reiserelevanten Inhalten auseinandersetzt, ist jedoch der Anspruch, im Sinne der eigenen Marke (und damit der eigenen, gewachsenen Spitzenleistungen) zu kommunizieren und diese als klar definiertes Spielfeld für Content zu nutzen. Markengetriebenes Content-Marketing ist ein primär nutzenzentrierter Ansatz von Kommunikation. Reisende und deren Sehnsüchte im Rahmen gesellschaftlicher Entwicklungen rücken ins Zentrum des Themensettings und aller inhaltlicher Überlegungen. Leitmilieus, die größere Gruppen in der Gesellschaft beeinflussen, wollen in einen Lebensraum und dessen Bedeutung eintauchen, Land und Leute kennenlernen und letztlich Inspiration für das eigene Leben mitnehmen. Die Kommunikation muss sich damit auf den Lebensraum und den Beitrag einer Destination zu einem gelingenden Leben erstrecken. 

Wie kann man als Urlaubsland Teil des Dialogs/Community sein?

Eine Destination darf sich nicht auf die eigenen Kanäle reduzieren– sie muss auch dort Präsenz zeigen, wo relevante Zielgruppen recherchieren und untereinander kommunizieren. Damit kann und sollte sich eine Marke auch in den digitalen Dialog einbringen. Gerade in dieser anspruchsvollen Disziplin wird klar, dass werbliche Botschaften fehl am Platz sind. Die Marke muss die richtigen Communities und deren Plattformen identifizieren und im Dialog mit relevanten und nutzenstiftenden Inhalten Impulse einbringen und Antworten geben. Sie muss kurz gesagt zu einem interessanten und kompetenten Gesprächspartner werden und hat dabei die Möglichkeit Themen zu setzen. Wenn dies gelingt, können die (heute mehrheitlich digital agierenden) Opinion Leader erreicht und als Multiplikatoren genutzt werden. 

Wo stehen wir derzeit mit unserer Arbeit?

Wir werden Österreich als Urlaubsland über vier Kommunikations-Schwerpunkte positionieren: aus den großen Bereichen Ernährung, Bewegung, Erholung und Inspiration werden jährliche Leitgeschichten entwickelt, die einen anziehenden und relevanten Scheinwerfer auf die Leistungen des Landes an der Schnittmenge zu gesellschaftlichen Entwicklungen legen. Damit wurde die Grundlage geschaffen, um zukünftig im Sinne des Arbeitens als Kommunikationshaus mit einer klaren Blattlinie in Form der Marke agieren zu können.