Inside Poland

Inside Poland

Markt Managerin Gabriele Lenger über ihr revidiertes Bild von Polen.

Als vor mittlerweile 3 ½ Jahren feststand, dass das Land, in dem ich die nächsten Jahre für Urlaub in Österreich begeistern darf, Polen sein wird, war ich anfangs etwas verunsichert. Mein Wissensstand über das Land an der Weichsel war wie der eines Durchschnittsösterreichers – so gut wie nicht vorhanden. Ja, Krakau, Danzig, Johannes Paul II oder Solidarność waren mir bekannt, mehr aber auch schon nicht.

Und natürlich die Stereotypen, die sich in vielen Köpfen unverrückbar festgesetzt haben – erzkatholische Menschen, graue Städte, Rückständigkeit, Chaos auf den Straßen und selbstverständlich die Autodiebe. Es war ein sehr einseitiges Bild, das ich von Polen hatte. Und dann die große Überraschung als ich das erste Mal hier in Warschau ankam – modernste Gebäude, extreme Sauberkeit, sehr viel Grün in der Stadt und eine unglaubliche Offenheit der Menschen. Noch nie musste ich mein vorgefasstes Bild eines Landes so schnell und radikal ändern.

Ein Schlüsselerlebnis gleich zu Beginn meiner Zeit hier fand in einer Runde von JournalistInnen statt. Selbstverständlich wurde ich gefragt, wie es mir in Polen gefällt. Meine Antwort, dass ich den Eindruck habe, dass die Polen die „besseren Deutschen“ sein wollen, stieß einigermaßen auf Unverständnis. Die JournalistInnen meinten, dass sie uns Österreicher so sehen und sie sich selbst als die „Italiener des Nordens“ fühlen. Mit dieser Charakterisierung war nun ich leicht irritiert. 

Polen und allen voran Warschau ist sicher das dynamischste Land, in dem ich bisher leben durfte. Die Menschen sind unglaublich kreativ, sei es in der Küche der zahlreichen Restaurants, in der Architektur, im Design oder in einer neuen Geschäftsidee – in der Innovationskraft sind die Polen uns Österreichern einige Schritte voraus.

Die politische Lage ist derzeit nicht besonders lustig, die national-konservative Regierung der PiS (Recht und Gerechtigkeit) stößt vielen Polen bitter auf. Ist doch Freiheit und Unabhängigkeit – schon aus der Geschichte heraus – für sie ein besonders wichtiges Gut, für das es zu kämpfen lohnt. Und genau das machen sie seit Ende 2015 – wann immer ein umstrittenes Gesetz erlassen werden soll, gehen die Polen auf die Straßen und schon einige Male musste die Regierung einen Rückzieher machen.

Noch eine „Eigenart“ der Polen, die ich in keinem anderen Land erlebt habe, ist die Höflichkeit der Männer. Keine Frau wird – wenn sie in Begleitung eines Mannes ist – den Koffer tragen. Männer öffnen selbstverständlich einer Frau die Tür oder warten im Lift, bis alle Frauen draußen sind. Dies tun sie so unaufdringlich und selbstverständlich, dass sogar ich als Feministin mich gerne und schnell daran gewöhnt habe.

Warum ich Ihnen das hier schreibe? Weil ich manchmal den Eindruck habe, dass einige von Ihnen die gleichen Sterotypen im Kopf haben, wie ich sie zu Beginn meiner Zeit hier in Polen hatte. Also, streifen Sie diese Stereotypen ab – die Polen sind weltoffen, kreativ und innovativ und das Land ist sehr sicher.

 

PS: Das Bild zeigt das Dialogzentrum »Przełomy« (Umbrüche) des Nationalmuseums Stettin, das beim World Architecture Festival (Juryvorsitz: David Chipperfield) in Berlin 2016 zum „World Building of the year“ ernannt wurde.