Gay Travel

Reisen unterm Regenbogen

Die LGBT-Community ist für den Tourismus eine immer wichtigere Zielgruppe. Was erwartet sie vom Urlaub? Wie erreicht man sie mit Marketing? Und: Soll man sie überhaupt speziell ansprechen?

Wien sei anders, sagt man, und das gilt ganz besonders für die Rolle der Bundeshauptstadt im LGBT-Tourismus („Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender“). Der Reiseveranstalter Gaytravel.com kürte Wien 2017 zur besten internationalen LGBT-Destination. Der Global Report on LGBT Tourism der Welttourismusorganisation UNWTO nennt Wien als Best-Practice-Beispiel. Und erst im März gewann die Stadt den Australian LGBTI Award.

„Wien ist für Homosexuelle vom Hidden Hero zum Hot Spot aufgestiegen“, sagt Andrea Zefferer, Unternehmenssprecherin WienTourismus. Wie es dazu gekommen ist? Durch gezieltes Marketing in den vergangenen Jahren.

Hoch die Regenbogenfahne!

„Die Zielgruppe ist reisebegeistert, gebildet, kulturinteressiert und verdient 20 Prozent mehr als der Durchschnittsgast“, sagt Zefferer. Um die internationale LGBT-Community zu erreichen, tritt WienTourismus auf wichtigen Szene-Festivals in Tokio, Toronto, Rom und Berlin auf, den sogenannten Gay Prides. Man bringt Multiplikatoren, Reisejournalisten und Influencer an einen Tisch, die Wien als Reiseziel unter anderem für Hochzeiten und Flitterwochen bekannt machen sollen. Man streut Wien-Packages bei großen Online-Reiseveranstaltern wie Gaytravel.com und bewirbt das „schwule Wien“ auf der eigens kuratierten Themenseite LGBT.wien.info. Die Botschaft ist immer die gleiche: „Im weltoffenen Wien wird Vielfalt großgeschrieben. Hier könnt ihr euch wohlfühlen. Hier seid ihr willkommen.“

Was andere Destinationen davon lernen können? „Die Zielgruppe muss zur Destination passen und die Destination zur Zielgruppe“, sagt Zefferer. Sie empfiehlt, folgende Fragen zu beantworten: „Werden in der Destination Vielfalt und unterschiedliche Lebensformen geschätzt? Gibt es vor Ort eine LGBT-Community? Was interessiert die Zielgruppe an der Destination? Letztlich geht es um Glaubwürdigkeit und Authentizität.“
Ausschlaggebend für die Urlaubsentscheidung für Wien sind laut Zefferer letztendlich weniger spezielle Angebote für LGBT-Reisende, sondern allgemeine Interessen wie das imperiale Erbe, die kulinarische Kultur, die Grünflächen und die funktionierende Stadt.

Schwule Spaziergänge

„Eigentlich braucht’s nicht mehr, als ein bisserl gesunden Menschenverstand und ein wenig Empathie“, ergänzt ­Andreas Brunner, Co-Leiter des QWIEN, Zentrum für schwul/lesbische Kultur und Geschichte. Der Wahlwiener hat 1998 den ersten schwulen Reiseführer Wiens geschrieben. Seit zehn Jahren führt er als Fremdenführer auf „schwulen Stadtspaziergängen“ durch Wien. „Ich zeige Touristen und Zugereisten, dass die Geschichte von Schwulen und Lesben ebenso zur Stadt gehört wie jene von Mozart und Beethoven“, erklärt Brunner sein Programm. „Beim Belvedere erwähne ich natürlich Prinz Eugens kolportierte Vorliebe für Männer. Ich berichte aber auch von seinem Wirken als bedeutender Feldherr und von der gesamten Türkenbelagerung.“ Die meisten Stadtführer wüssten über schwule Kultur wenig, würden sich kaum dafür interessieren – wohl auch, weil sie ihr Publikum damit nicht konfrontieren würden wollen, meint Brunner.

Worauf legen seine homosexuellen Besucher Wert? „Gerade im Urlaub wollen sie sich frei fühlen und nicht verstecken müssen. Sie wollen als Gäste wie alle anderen behandelt werden“, sagt Brunner. Schwule und Lesben würden sich genauso für Museen ohne schwule Kunst interessieren. „Genauso schätzen sie es, wenn ihnen die Albertina mit speziellen Führungen zu Keith Haring ein zusätz­liches Angebot macht.“

Willkommen im gayfriendly Hotel

Ein Parade-Szene-Event hat sich in Tirol etabliert. Seit knapp zwanzig Jahren pilgern homosexuelle Urlauber, hauptsächlich schwule Männer, zum Gay Snowhappening nach Sölden. Eine Woche lang gehen sie mit Gleichgesinnten auf die Piste – zuerst beim Skifahren, danach beim Après-Ski. Auch die Region profitiert vom breit gefächerten Programm, das durch diverse Restaurants, Skihütten und Bars führt. „Unsere Vermieter und Wirte stehen hinter der Veranstaltung“, sagt Judith Schöpf vom Organisationsteam von Events Ötztal. Durch Mundpropaganda innerhalb der Szene kämen auch abseits des „Snowhappenings“ Freunde und Bekannte ins Ötztal.

„,Gayfriendly‘ bedeutet, Barrieren abbauen“, sagt Thomas Helml, Hotelier der Villa Verdin am Kärntner Millstätter See. Anfänglich organisierte er dort im Freundeskreis Partys für Schwule. Schnell erarbeitete sich die elegant-verträumte Villa am See einen Ruf als einschlägige Party-Location. Helml bezeichnet sein Hotel zwar als „gay-friendly“, beschränkt sich aber nicht auf diese Zielgruppe. „Für uns sind alle Gäste gleich. Bei uns frühstücken schwule Jungs und lesbische Pärchen neben heterosexuellen Familien. Alle haben eines gemeinsam: Sie wollen hohe Qualität.“

Und noch eines gelte für alle Gäste gleichermaßen, ergänzt Judith Schöpf: „Wirklich wichtig ist die Stimmung der Menschen im Ort. Liebgewonnene Gastgeber und Bewohner sind oftmals die Hauptargumente für eine Reise“.