Giganten des Internets

Giganten des Internets

Der Urlauber von heute lässt sich auf Facebook und Instagram inspirieren und sucht seinen Flug über Google. Die Flaggschiffe der Technologiebranche haben sich in allen Phasen des Reisens einen festen Platz erobert.

Die Technologiebranche hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt. Unter den sechs wertvollsten Unternehmen weltweit finden sich gleich vier Technologieunternehmen, die sich Einfluss auf beinahe alle Bereiche unseres Lebens gesichert haben und häufig mehr Wissen über uns haben als die besten Freunde. Die GAFA, also Google, Apple, Facebook und Amazon, gestalten die technologischen Entwicklungen maßgeblich mit. Amazon dominiert den Internethandel in der westlichen Welt, Alibaba jenen in China. Den Suchmaschinenmarkt haben Google und sein chinesisches Pendant Baidu fest in der Hand, Apple und Samsung das Smartphone-Business. Und nicht zu vergessen: Facebook, das stärkste Medienunternehmen aller Zeiten.

REICHWEITE DURCH TECHNOLOGIE

Auch in der Reisebranche breiten sich die Datenriesen immer mehr aus. IT-Konzerne wie Google und Facebook hätten den Tourismus wesentlich verändert, weiß Patrick Edelmayr, Geschäftsführer der Internetagentur elements.at New Media Solutions. Die Macht der Konzerne gründe auf ihren technologischen Errungenschaften, die es ihnen ermöglichten, eine hohe Reichweite zu erzielen. Sie seien auch einfach verfügbar und komfortabel in der Nutzung. Die Voraussetzungen, um an den Diensten teilzuhaben, seien denkbar gering – auch das trage zu ihrer weiten Verbreitung bei, erklärt Edelmayr. Die Tools der großen IT-Konzerne sind aus dem Tourismus nicht mehr wegzudenken: In der Inspirationsphase erreichen uns Statusupdates und Fotos von Freunden auf Instagram, Videos auf YouTube machen Lust auf den nächsten Urlaub. Fotos, die wir auf Google Maps bestaunen, holen uns emotional ab. Was kann man vor Ort unternehmen? Wie kommt man am besten hin? Wann ist die beste Reisezeit? Wenn es um die Recherche geht, ist Google meist die erste Anlaufstelle. Und auch von unterwegs teilen wir unsere Erlebnisse mit unseren Freunden – über Facebook oder Instagram. Wieder zu Hause lassen wir Reiseerfahrungen in Blogs oder auf YouTube Revue passieren.

MEHR ALS NUR SUCHMASCHINE

In Europa und in Deutschland ist Google die unangefochtene Nummer eins unter den Suchmaschinen. Der Konzern verfügte 2017 über einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent. „Das Ziel von Google ist es, die Informationen der Welt zu organisieren und für alle zu jeder Zeit zugänglich und nutzbar zu machen.“ So lautet der Leitsatz des Unternehmens, der laut eigenen Angaben alle Entscheidungen bestimmt. Es soll für die Nutzer so einfach wie möglich sein, die gewünschten Informationen zu finden, schnell ans Ziel zu kommen und Dinge effizient zu erledigen. Doch Google ist weit mehr als eine Suchmaschine. Das Unternehmen, eine Tochter der börsennotierten US-amerikanischen Holding Alphabet Inc, ist auch Marktführer bei mobilen Betriebssystemen, Browsern, Onlinevideos und E-Mail- Diensten. Denn auch Unternehmen wie die Videoplattform YouTube, der Browser Chrome und Gmail sind Teil des Konzerns. Außerdem ist Google Eigentümer von Android, dem wichtigsten Betriebssystem für Smartphones und Tablets. Finanziert werden all diese Dienste über Werbeeinnahmen.

GEHEIMNISVOLLER ALGORITHMUS

Wer also über Google nicht gefunden wird, existiert nicht. Im Ranking eine möglichst hohe Position zu erreichen, ist das Gebot der Stunde. Doch die Systematik hinter der Google-Suche ist ein gut gehütetes Geheimnis des Konzerns: Niemand weiß genau, welche Nutzer welche Suchergebnisse angezeigt bekommen und welche Faktoren zu einem besseren Ranking führen, denn der Konzern ändert diesen Algorithmus ständig. „Die größte Herausforderung ist sicherlich auch in Zukunft, das, was ich als Touristiker  anzubieten habe, im Web gut darzustellen und gut finden zu lassen“, weiß Matthias Grundböck, Geschäftsführer der auf IT-Dienstleistungen spezialisierten OMP-Group. Denn die Währung im Web sei letztlich der Traffic, der heute zu 70 Prozent von Google komme. Von Trips bis Hotel-Ads: Google hat für alle Phasen der Customer Journey im Tourismus passende Produkte entwickelt. Im März 2016 etabliert der Suchmaschinenriese „Destinations on Google“. Der Nutzer gibt im Suchfeld einen Kontinent, ein Land oder eine Region gemeinsam mit dem Wort „Destinations“ bzw. „Reiseziele“ ein, um Flug- und Hotelpreise sowie preisgünstige Reisezeiten für die beliebtesten Reiseziele in der gesuchten Destination angezeigt zu bekommen. Informationen über beliebte Routen am Zielort, Wetterinformationen etc. runden das Angebot ab. Die Buchung wird auf einer für das Hotel oder die Fluggesellschaft gebrandeten Seite über „Book on Google“ durchgeführt, wobei die Abwicklung von Buchung und Bezahlung auch weiterhin über die Rechner des jeweiligen Partners erfolgt. Immer wieder wird spekuliert, ob Google eines Tages selbst als Reiseanbieter auftreten wird. Dies wird seitens Google jedoch nach wie vor dementiert. Grundböck geht davon aus, dass sich Google auch in Zukunft auf die Mittlerrolle beschränken wird, um seine gute Kooperationsbasis mit booking.com und anderen Reiseportalen nicht zu gefährden.

FLUCH UND SEGEN

Die Chance, die Google und Facebook im Bereich Werbung bieten, sind in der enormen Reichweite und den internationalen Skalierungseffekten begründet. Wer die Targetingmöglichkeiten für seine Kampagnen nutzt, kann neue potenzielle Gäste in jedem erdenklichen Land und in jeder noch so kleinen Nische finden – bei vergleichsweise überschaubaren Investitionen. Doch Google sei Fluch und Segen zugleich, sagt Michael Buller, Vorstand des deutschen Verbands Internet Reisevertrieb (VIR). Denn Google nutze seine marktbeherrschende Position auch aus und setze seine Algorithmen gegen den Wettbewerb ein. Die Funktion einer neutralen Suchmaschine tritt so immer mehr in den Hintergrund. So wurde der IT-Gigant 2017 erstmals von der EU-Kommission mit einem Bußgeld von 2,42 Mrd. Euro abgestraft, weil er seinen eigenen Preisvergleichsdienst in den Suchergebnissen ganz oben platziert und Vergleichsdienste der Konkurrenz herabgestuft hatte. Weitere Verfahren sind noch ausständig.

MUTTER DER SOCIAL MEDIA

Facebook steht an Stelle der wertvollsten Unternehmen auf Platz sechs und ist die Mutter aller Social-Media-Kanäle. Eine Unternehmenspräsenz in dem sozialen Netzwerk, das im November 2017 2,1 Mrd. Nutzer zählte, ist schon lange nicht mehr optional, sondern längst Standard geworden. Eine Routine stellt sich dennoch nicht ein. Dafür ist der Algorithmus, der die in der Timeline dargestellten Inhalte bestimmt, zu launisch. Außerdem verändert sich die Nutzerstruktur langsam, aber stetig, denn gerade junge Leute wandern immer mehr zu anderen Social-Media- Kanälen ab, ältere hingegen entdecken das Netzwerk für sich. Facebook hat ähnlich wie Google viele Daten über seine User, Werber können also über Interessen segmentieren und die Zielgruppe so direkt erreichen. „Ich sehe Facebook als Servicekanal, über den man seine bestehenden Kunden informieren und servicieren kann“, meint Grundböck. Beim Verkauf von touristischen Leistungen funktioniere Facebook – zumindest derzeit – noch nicht gut. Das kann sich aber laut Buller vom VIR noch ändern. Er sei gespannt, wie sich Facebook entwickeln werde: „Google war auch nur eine Werbeplattform und ist jetzt ein Wettbewerber geworden. Facebook ist derzeit eigentlich auch nur eine Werbeplattform, könnte aber zu einer Suchmaschine werden, vielleicht werden sie sogar ein Reiseservice anbieten“, schätzt der Experte.

MIT BILDERN INSPIRIEREN

Besonders bei den jungen Menschen ist Instagram stark im Kommen. Die Plattform, die zum Facebook-Konzern gehört, zählt derzeit 400 Mio. aktive User. Als Onlinedienst zum Teilen von Fotos und Videos birgt Instagram für den Tourismus, der seine Botschaften über Bilder bestens transportieren kann, großes Potenzial. In einer Umfrage von Instagram gaben 48 Prozent an, diese Plattform als soziales Netzwerk unterwegs zu nutzen, um sich über die nächste Reise-Destination zu informieren. 35 Prozent davon nutzen Instagram zur Inspiration und um neue Orte zu entdecken.

AMAZON: RICHTUNG UNGEWISS

Zu den größten Playern auf dem Onlinemarkt zählt auch Amazon. Das Unternehmen sei aus dem E-Commerce nicht wegzudenken, spiele derzeit aber touristisch kaum eine Rolle, erklärt Grundböck. Amazon sammelte 2015 mit Amazon Destinations Erfahrungen auf dem Onlinereisemarkt, stellte das Portal aber nach wenigen Monaten wieder ein. Laut Grundböck ist der Konzern für den Verkauf eines touristischen Produkts nicht gut aufgestellt und für den Konsumenten wenig glaubwürdig gewesen.   Buller vom VIR schließt nicht aus, dass Amazon in Zukunft auch im Tourismus eine größere Rolle spielen könnte. „Die haben einen interessanten Kundendatenstamm und gehen in alle Branchen – sogar offline, etwa in den Lebensmittelbereich. Das bleibt spannend.“ Mit Amazon Echo, einem Smart-Speaker, habe Amazon außerdem ein zu einem günstigen Preis erhältliches Produkt entwickelt, das nach und nach in den Haushalten Einzug halte. Ein Tool, dass noch viele Überraschungen bergen könnte, meint Buller.

INTELLIGENTE MASCHINEN

Ganz oben auf der Agenda der IT-Giganten steht das Thema Chatbots und künstliche Intelligenz. Mit intelligenteren Systemen werden Touristiker neue Möglichkeiten haben, ihre Gäste am Urlaubsort, aber auch vor und nach der Reise zu servicieren. Denn es ist beispielsweise viel einfacher, Wünsche und Anfragen direkt in das Handy zu sprechen, als sie mühsam einzutippen. Die ÖBB bieten beispielsweise bereits ein Alexa Skill an, mit dem Nutzer nach Zugverbindungen suchen oder sich Abfahrtsinformationen zu Bahnhöfen geben lassen können. Hier seien all jene im Vorteil, die viele Fälle hätten, aus denen die Maschinen lernen könnten, erklärt Buller. Die Gefahr sei, dass wir noch nicht festgelegt hätten, nach welchen Prinzipien die Maschinen reagieren dürften. „Wir müssen Leitplanken bauen und ethische Regeln aufstellen – hier ist die Politik gefragt“, so der Experte.

CHANCEN NUTZEN, RISIKEN MINIMIEREN

Wie können Touristiker von den technologischen Möglichkeiten profitieren und mit den Anbietern kooperieren, ohne sich dadurch in ein Abhängigkeitsverhältnis zu begeben? Touristiker sollten sich nicht ausschließlich auf einen bzw. wenige Anbieter konzentrieren, sondern alle Unternehmen im Blick haben, ist Edelmayr überzeugt. Suchmaschinenmarketing mit AdWords und eine zeitgemäße SEO-Strategie gehören laut Edelmayr in jeden erfolgreichen Marketingmix. Eine Präsenz auf Facebook und Instagram könne die Reiseentscheidung beeinflussen, vor allem in frühen Inspirationsphasen. Aufholbedarf bestehe noch immer ganz klar im Bereich der Personalisierung. Fast in jeder größeren touristischen Organisation würden unzählige Kundendaten ungenutzt herumliegen, erzählt Edelmayr. Die Chancen für neue Anbieter, sich neben den großen IT-Giganten zu behaupten, könnten auch durch die neue EU-Datenschutzgrundverordnung steigen (mehr dazu hier). Denn Nutzer haben dann die Möglichkeiten, ihre Daten beispielsweise von Google an andere Firmen übertragen zu lassen. So könnte die Datenhoheit durchbrochen werden, ist Buller überzeugt. „Die Frage wird sein, ob diese Möglichkeiten auch genutzt werden“, so der Experte.