Gemeinsam statt allein

Gemeinsam statt allein

Übertragungen sportlicher Großevents, aber auch Musik- und Kinofilme laden zur warmen Jahreszeit in Österreich dazu ein, das eigene Wohnzimmer zu verlassen und an öffentlichen Plätzen gemeinsam mit anderen zu feiern und zu genießen.

Wenn die Temperaturen wärmer und die Tage länger werden, bricht die Zeit der Sommerkinos und der Public Viewings an. Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft, die heuer in Russland ausgetragen wird, werden im Juni wieder an zahlreichen öffentlichen Plätzen, aber auch in Lokalen und Hotels die Leinwände aufgebaut und die Bildschirme in Position gebracht. Die Gäste freuen sich auf ein stimmungsvolles Gemeinschaftserlebnis, die Wirte auf gute Umsätze.

FUSSBALL LOHNT SICH

Für die Euro 2008, als Österreich gemeinsam mit der Schweiz Austragungsort der Meisterschaft war, ermittelte das Institut für Sportökonomie im Auftrag der Wirtschaftskammer Niederösterreich (WKNÖ) eine Wertschöpfung von 5,75 Mio. Euro aus den niederösterreichischen Public-Viewing-Veranstaltungen. In Wien sorgten bei der Weltmeisterschaft 2014 die guten Leistungen der deutschen Mannschaft und das gute Wetter dafür, dass der Umsatz vieler Lokale in diesen Wochen um 20 Prozent über dem Vorjahr lag. Zuletzt ließ die Euro 2016 die Kassen auch bei heimischen Veranstaltern klingeln. Laut einer von der Wiener Wirtschaftskammer initiierten Umfrage planten schon vor der Veranstaltung ein Drittel der Hauptstädter, beim Wirt Fußball zu schauen. Denn nicht nur die großen Public Viewings, sondern auch kleinere Gaststätten, die eigens Fernseher für die Fußball-Fans aufgestellt haben, freuen sich zur Zeit der WM über zusätzliche Gäste. Zu den Hotspots der fußballfreudigen Gäste, die unter freiem Himmel mit ihren Favoriten mitfiebern möchten, zählt die Strandbar Herrmann. Sie richtet anlässlich der Fußball- Weltmeisterschaft 2018 wieder Public Viewings in den beiden Locations Strandbar Herrmann und Aspern Nord aus. Wenn das Wetter unsicher ist, sind Indoor-Veranstaltungen gefragt – in Wien reicht die Auswahl von herrschaftlichen Palais bis hin zu gemütlichen Beisln. Während sich kleine Lokale meist eigens für Public Viewings rüsten müssen, greifen große Hotelketten auf die vorhandene Multimedia- Infrastruktur dazu. So nutzt beispielsweise das Marriott Berlin Potsdamer Platz seine modernen Bildschirme im Atrium fallweise dazu, neben eigenem Content und Musikfilmen auch Fußballspiele zu übertragen. Die technischen Möglichkeiten seien umfassend, der Anpassungsbedarf individuell sehr unterschiedlich, weiß Jochen Ostermeier, Managing Director bei Tascan Systems. Zur Auswahl stehen verschiedene Bildschirmtechnologien, starre und mobile Systeme, die mehr oder weniger variabel einsetzbar sind. Die Herausforderung bestehe oft darin, eine gute Signalübertragung vom Technikraum hin zu den Displays bzw. Bildschirmen zu gewährleisten, erklärt Ostermeier.

KINO UND KULINARIK

Auf sommerlich- entspannte Stimmung, die Gesellschaft Gleichgesinnter und ein erlesenes Unterhaltungsprogramm setzen auch zahlreiche Sommerkinos, wo vereinzelt auch Fußballspiele, hauptsächlich aber die Werke internationaler Filmschaffender über die Leinwände flimmern. Zu den bekanntesten Vertretern zählt das Filmfestival auf dem Wiener Rathausplatz. Die Veranstaltung hat sich auch mit ihrem vielseitigen Kulinarikangebot einen Namen gemacht, das Köstlichkeiten aus aller Welt bereithält. Die Filmvorführungen stehen aber nach wie vor im Kern des Konzeptes. „Vorrangig ist es immer noch ein Klassik-Filmfestival, das im Laufe der 27 Jahre um Pop, Jazz und Tanz erweitert wurde und damit eine großartige Vielfalt für jeden Geschmack bietet“, so Katharina Krischke, zuständig für die Medienund Öffentlichkeitsarbeit beim Stadt Wien Marketing. 13 Mio. Menschen aus aller Welt besuchten bislang das Wiener Filmfestival, das seit seiner Premiere 1991 zu einem Anziehungspunkt für in- und ausländische Gäste geworden ist: 46 Prozent der Besucher stammen aus Wien, 14 Prozent aus den Bundesländern und 40 Prozent sind Gäste aus dem Ausland. Die Technik habe sich mit der Zeit weiterentwickelt, erzählt Krischke: In den 1990er-Jahren seien die Filme mit einem 8.000-Ansi-Lumen-Projektor auf einer 100-Quadratmeter-Leinwand gezeigt worden. Mittlerweile könnten die Vorführungen auf einer 300-Quadratmeter- Leinwand, mit 140.000 Ansi- Lumen und einer Tontechnik mit Raumsimulation genossen werden.

TOURISTISCH WERTVOLL

Während das klassische Kino strauchelt, erleben Sommerkinos unter freiem Himmel einen wahren Boom, beobachtet Philipp Wanderer, Projektleiter von Kino am Dach. Seit 2004 werden im Sommer auf dem Dach der Stadtbücherei Wien hochwertige Kinoerlebnisse geboten, die sich mit Blick über die nächtliche Stadt kombinieren lassen. Das Erfolgsrezept: die außergewöhnliche Lage, die direkte Verfügbarkeit von Gastronomie und das erlesene Angebot an Filmen. Statt großer Blockbuster stehen internationale Produktionen auf dem Programm. Und obwohl sich die Zahl der Sommerkinos in den letzten Jahren vervielfacht hat, sieht Wanderer kein Konkurrenzverhältnis. „Die Programme und damit auch das Publikum sind so unterschiedlich, dass sich die Veranstalter gegenseitig nicht im Wege stehen“, so Wanderer. Auch touristisch ist das Kino am Dach erfolgreich, denn viele Produktionen werden im Originalton gezeigt. Gemeinsam mit der Wochenzeitung Falter veröffentlicht Kino am Dach jedes Jahr eine Broschüre, die auch in den Tourismusinfos aufliegt. Das fremdsprachige Publikum freut sich auch über die wachsende Zahl der sogenannten Silent Cinemas in Österreich: Im Alten AKH und am Sowi-Campus in Innsbruck erhalten die Besucher neben erfrischenden Getränken auch ihre eigenen Kopfhörer. So können sie das Filmerlebnis im Zweikanalton und in ihrer Wunschsprache erleben.

LITERATUR IM SONNENSCHEIN

Öffentliche Übertragungen können auch dazu beitragen, ein größeres Publikum an exklusiven Veranstaltungen teilhaben zu lassen. So etwa beim Bachmannpreis 2017: Der Veranstalter überträgt die Lesungen der internationalen Autoren in den Klagenfurter Stadthafen, wo die Besucher bei einer Tasse Kaffee das Geschehen im ORF-Theater mitverfolgen. Eben ganz im Sinne von Ingeborg Bachmann, die in einem ihrer Gedichte schrieb: „Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein.“