Das Gute liegt so nah

Das Gute liegt so nah

In die Speisekarten heimischer Gastronomen halten außergewöhnliche Produkte Einzug, die ihre Wurzeln in fernen Ländern haben. Ambitionierte Erzeuger kultivieren diese kulinarischen Exoten auch in Österreich – mit großem Erfolg.

Reis, Kaviar und Wagyu-Rind sind Lebens- und Genussmittel, die in Österreich bisher nur durch Importe verfügbar waren. Doch heute ist Regionalität gefragt. Die Lebensmittelproduzenten holen diese Waren ins Land und kultivieren sie durch landwirtschaftlichen Anbau oder Tierzucht. Sie zeigen, dass das Gute und Exklusive sehr nahe liegen können, und liegen damit im Trend: Denn laut einer österreichweiten Motivanalyse der Agrarmarkt Austria (AMA) aus 2017 sind für 35 Prozent der Befragten die Herkunft und die Regionalität ihrer Ernährung besonders wichtig. Das spiegelt sich beim täglichen Einkauf wider: Bereits 46 Prozent achten darauf, regional einzukaufen – im Jahr 2014 waren es noch 36 Prozent. Die Stärkung der heimischen Landwirtschaft ist für 32 Prozent der Befragten ein wichtiges Kaufargument. Viele Kunden schätzen auch die Möglichkeit, bislang nicht heimische Produkte nun von regionalen Erzeugern beziehen zu können.

INNOVATION DURCH FORSCHUNG

Am Anfang steht eine innovative Idee: Bisher weckte Reis die Assoziation mit Asien, mit weiten, gefluteten Feldern, auf denen das Getreide angebaut und schließlich auf den langen Weg nach Österreich geschickt wird. Heute gibt es Reis „made in Austria“: Gregor Neumeyer entwickelte mit „ÖsterReis“ eine Reissorte, die seit Jänner 2015 im niederösterreichischen Gerasdorf kultiviert wird. Das Anbauverfahren wurde an die heimischen Böden angepasst. „Anders als beim herkömmlichen Nassanbau wird der Reis bei uns trocken angebaut“, erzählt Neumeyer. Die sonst übliche Flutung der Felder unterdrücke das Unkrautwachstum. Ein Problem, das beim Trockenanbau in mühsamer Handarbeit behoben werden muss. Das erlangte Wissen soll künftig anderen Landwirten weitergegeben werden, um ihnen den Anbau einer weiteren Kultur zu ermöglichen. Bis dahin sei aber noch viel Grundlagenforschung notwendig, betont Neumeyer. Die intensive Forschungsarbeit brachte nach spärlichen Erträgen zu Beginn im Jahr 2016 erstmals eine sehr gute Ernte. Die positive Resonanz der Kunden sei überwältigend gewesen, so Neumeyer.

ERFOLGSREZEPT: MUNDPROPAGANDA

Heute ist die Nachfrage nach dem heimischen Reis größer als das Angebot, was nicht an einer aufwendigen Marketingstrategie liegt. Das Team von ÖsterReis setzte auf Storytelling in den soziale Medien: Die skurrile Geschichte vom Reis aus Österreich postete das junge Unternehmen auf Facebook und erlangte dadurch Aufmerksamkeit. „Auch der Name ,ÖsterReis‘ kommt durch die Assoziation mit Österreich sehr gut an“, sagt Neumeyer. Anstatt Werbekampagnen zu schalten, wird die interessierte Community durch regelmäßige Beiträge auf der Social-Media- Plattform auf dem neuesten Stand gehalten. Mit dem Fokus auf Direktmarketing und Kundenkontakt werden derzeit 80 Prozent des Absatzes von ÖsterReis direkt vertrieben, 20 Prozent gehen an Handel und Gastronomie. Auf Mundpropaganda von zufriedenen Kunden anstelle teurer Werbemaßnahmen setzt auch Walter Grüll. Der Familienbetrieb Grüll Fischhandel in Grödig im Flachgau produziert Fisch-Spezialitäten. Er ist Österreichs erster Produzent von Stör-Kaviar – und einer von weltweit nur 30 Stör-Züchtern. Die Vision: ein gutes Produkt schaffen, den Tieren mit Wertschätzung begegnen und ihnen Zeit geben. Denn bis ein Stör reif für die Kaviar- Ernte ist, benötigt er 14 bis 16 Jahre. Die Mitarbeiter teilen die Leidenschaft für hochwertige Lebensmittel, was bei den Kunden gut ankommt: Durch die kompetente Beratung und die Zufriedenheit mit dem Produkt werden diese selbst zu Markenbotschaftern, ebenso wie die Kunden aus der Gastronomie, die Grülls Spezialitäten beziehen. Zusätzlich zum Kaviar, den es auch in Pulverform zum Verfeinern von Speisen gibt, bietet Grüll auf Bestellung den exklusiven Kaviar des sehr seltenen weißen Albino-Störs an. Dieser zählt mit 15.000 Euro pro Kilogramm zu den teuersten Lebensmitteln der Welt. Doch der Kundenstamm in Grödig fragt nicht ausschließlich nach dem raren Luxusgut: „Die Menschen aus der Region holen sich hier das einfache Fischbrötchen ebenso wie außergewöhnliche Genussmittel“, sagt Grüll, für den eine Massenproduktion nicht infrage kommt. „Wir produzieren Erlebnismittel.“ Er wolle Menschen die Möglichkeit geben, neue und vor allem hochwertige Produkte zu entdecken. Das sei in der Masse gar nicht möglich.

QUALITÄT IM FOKUS

Dass bei den Konsumenten die Qualität an erster Stelle steht, berichtet auch Gerhard Zadrobilek von Kobe Beef Austria. Er züchtet im Wienerwald den „Kaviar unter dem Rindfleisch“: Wagyu-Rinder. Das Fleisch der seltenen Tiere, die eigentlich in Japan ihre Heimat haben, ist für seine Zartheit und die feine Marmorierung bekannt und gilt als eine der exklusivsten und teuersten Fleischsorten der Welt. Die Rinder als Erster in Österreich zu züchten, brachte Herausforderungen mit sich: Die Embryonen der Tiere mussten aufwendig aus Kanada importiert werden, die Ausfallquote war anfangs hoch. Mit der Geburt der ersten Kälber stellte sich schließlich auch das Interesse der Presse und der Kunden ein. Inzwischen ist der Betrieb auf eine Viehzucht mit 30 Tieren angewachsen, deren Fleisch über einen Vertriebspartner, ab Hof und über einen Webshop an Endverbraucher sowie ausgewählte Spitzenrestaurants, wie etwa das Steirereck, verkauft wird. Die Kunden schätzen das exklusive kulinarische Erlebnis und bringen ein hohes Bewusstsein für die Qualität und den damit einhergehenden Preis mit: Das Filetstück kostet etwa 230 Euro, was an der aufwendigen und kostspieligen Zucht liegt. Die Tiere werden hochwertig gefüttert und erst mit 32 Monaten geschlachtet. „Wagyu-Fleisch ist ein Genussmittel wie ein edler Wein, den man nicht jeden Tag trinkt“, so Zadrobilek.

EXOTISCH TRIFFT TRADITIONELL

Auch bei den Gästen in Österreichs Gastronomie und Hotellerie kommen diese außergewöhnlichen, regional produzierten Lebensmittel gut an. Der Reis aus Österreich wird beispielsweise im Hotel Sans Souci in Wien serviert. „Die Gäste reagieren sehr erstaunt und positiv auf den österreichischen Reis. Das ist eine Besonderheit“, sagt Andrea Fuchs, General Manager des Hotels. Auch Gemüseraritäten wie Süßkartoffeln aus heimischem Anbau finden Eingang in die Hotelküche. Im Wiener DiningRuhm, gegründet von den Brüdern Sascha und Marcel Ruhm, stehen ausgefallene Speisekombinationen auf der Tagesordnung. Hier trifft japanisch-peruanische Küche auf österreichische Qualitätsprodukte. Speisen wie Sashimi von der österreichischen Lachsforelle, Sashimi Styrian Style mit Kürbiskernöl und Tullnerfelder Pork Belly mit Spicy-Miso-Sauce wecken die Neugierde der Gäste. Bereits 70 bis 80 Prozent der Gäste im DiningRuhm sind Stammkunden. Viele stammen auch aus dem Ausland und planen für ihren Wien-Aufenthalt einen fixen Besuch ein, um die außergewöhnlichen Gerichte des Restaurants zu verkosten. „Unser Serviceteam weiß stets genau Bescheid, welche Zutaten in den Gerichten verwendet wurden, und erklärt sie den Gästen gerne“, erzählt Sascha Ruhm. Die Begeisterung sei so groß, dass viele Gäste aktiv nach den Rezepten fragen, um die Speisen zu Hause nachkochen zu können.