Marken im Tourismus

Starke Marken und was der Tourismus von ihnen lernen kann

Viele reden über die Bedeutung von Marken, doch nur wenige Destinationen und Hotels schaffen es, eine zu werden. Die Schlüssel­faktoren: spitze Leistungen, Dynamik und viel Disziplin. Die Coverstory aus dem aktuellen bulletin über starke Marken und was der Tourismus von ihnen lernen kann.

Die beliebtesten Marken der Österreicherinnen und Österreicher heißen Manner, YouTube, Google und Wikipedia. Ihnen gelingt es laut einer Studie von Marketagent.com am besten, das Vertrauen und die Sympathie der Konsumenten zu erobern. Das Erfolgsrezept des Erstplatzierten: Manner mag man eben nicht nur wegen der knusprigen Waffel. Die rosa Schnitte vermittle „Sicherheit, Vertrautheit und ein Stück Wiener Kulturcode“, sagt Manner-Marketingleiter Ulf Schöttl.

Starke Marken sind in ihrem kulturellen Geist unverwechselbar; sie heben sich in ihrer Bedeutung, ihren Werten und ihrem optischen Erscheinungsbild von der Konkurrenz ab. Wir sehen blaue Schreibschrift auf rosa Grund und denken sofort an Haselnussschnitten. Was assoziieren Sie beim Anblick eines überdimensionalen roten Stuhls am Straßenrand?

Der Möbelhändler XXXLutz, eine der zehn wertvollsten Marken Österreichs, setzt auf Kontinuität und klare Botschaften. Sein Erfolgsgeheimnis liegt in einer konsequenten und stringenten Umsetzung des Markenkerns. „Alles, was XXXLutz macht, ist XXXL, hat also eine Größe und Ausprägung, die es üblicherweise nicht gibt. Diese Inhalte kommunizieren wir seit 20 Jahren“, erklärt Thomas Saliger, Pressesprecher der XXXLutz-Gruppe.

Ikonen wachsen natürlich

Unternehmen beschäftigen sich bewusst mit dem Thema Markenfindung seit den 1990er-Jahren. Die Konsumgüterindustrie machte den Anfang, die Dienstleistungsbranche zog nach. Im Tourismus werden Markenstrategieprozesse seit den 2000er-Jahren entwickelt. „Historisch gewachsene Brands wie Kitzbühel und Altaussee haben schon Markenpflege betrieben, bevor das Wort ,Marke‘ als Terminus technicus erfunden wurde“, weiß Franz Hirschmugl, Geschäftsführer des Instituts für Markenentwicklung.

Kitzbühel profitiert bis heute von der Markenenergie der Streif als härteste Rennstrecke der Welt. Jahrhundertsportler Toni Sailer hat der Region als „Blitz von Kitz“ ein weltweit bekanntes Gesicht gegeben. Ebenso haben die Kaffeehausliteraten einst Altaussee mit Bedeutung aufgeladen: Wer kultiviert ist und Poesie mag, urlaubt in Altaussee.

Die große Erzählung

Auf gesättigten Tourismusmärkten mit mehr Angebot als Nachfrage ist ein spitzes Profil das wichtigste Unterscheidungsmerkmal. Im Ringen um das knappe Gut Aufmerksamkeit stechen jene Unternehmen hervor, die auf den ersten Blick eine positive Bedeutung in den Köpfen hervorrufen. Hirschmugl: „Die große Erzählung ist wichtiger, als nur die gleichen Funktionen zu wiederholen, die jeder Konkurrent genauso gut kann. Wenn alle Autos ähnlich sind, kauft man bei Audi Vorsprung durch Technik und bei BMW Freude am Fahren. Apple macht dich nicht nur zum Computerbesitzer, sondern zum Kreativen.“ Die Schwierigkeit für Unternehmer und Marketingagenturen: Letzten Endes gestalten nicht sie diese Bedeutung, sondern die Konsumenten. Die Marke entsteht erst im Gefühl, das beim Gast aufkommt. Um zu erfahren, was ihre Gäste fühlen, sollten Touristiker deren Motive in Tiefeninterviews erforschen, rät Hirschmugl

"Markenentwicklung funktioniert wie die Schwerkraft – ihre Gesetze gelten für alle, ob für ein Stahlwerk, ein Medium oder ein Hotel."

Marke braucht Diktatur

„Markenentwicklung funktioniert wie die Schwerkraft – ihre Gesetze gelten für alle, ob für ein Stahlwerk, ein Medium oder ein Hotel“, sagt Hirschmugl. Dennoch, die Voraussetzungen im Tourismus sind speziell. Vor allem die Vielzahl an Stakeholdern, die über eine Markenbildung demokratisch entscheidet, reduziert die Markenenergie oftmals auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Für eine spitze Markenfindung empfiehlt der Experte ein repräsentatives Kleinstgremium. Wichtig: Das Gremium muss das erarbeitete Konzept dann auch umsetzen dürfen, ohne dass zu viele Köche den Brei verderben. Bis eine Marke auf die Kunden wirkt, können schon drei Jahre vergehen.

Tradition modern aufladen Wie eine Traditionsmarke modern bleibt und ihr Markenkonzept von der Basis mitgetragen wird, zeigt das Beispiel Kitzbühel. Dessen Alleinstellungsmerkmal „Sport kombiniert mit Lifestyle“ ist über Jahrzehnte gewachsen. Kitzbühel als Markenzeichen wurde in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt, durch Ski-Pioniere, Premiumhotels, durch Innovation im Seilbahnbau und natürlich durch das legendäre Hahnenkammrennen und seine prominenten Gäste. Auf Basis dieses historischen Erbes definiert Kitzbühel auch heute noch seine Markenwerte.

Gemeinsam mit der Bevölkerung hat man in einem Markenstrategieprozess klare Markenregeln definiert, innerhalb derer sich die Marke entwickeln kann: „Jede Veranstaltung und jede Maßnahme muss höchste Qualität garantieren, die Balance zwischen Historie und Zukunft finden, den Sport fokussieren und im unvergleichbaren Corporate Design erscheinen“, erklärt Viktoria Veider-Walser, Geschäftsführerin von Kitzbühel Tourismus. Die Herausforderung der Markenpflege in Zeiten der Digitalisierung liegt darin, den erwarteten Qualitätsstandard auch aufrechtzuerhalten. „Jede Berührung des Gastes mit unserer Marke muss gepflegt werden – jede Ortstafel, jeder Wanderweg, jede Drucksorte, jedes Posting im Internet“, sagt Veider-Walser.

Exzellentes leisten

Warum viele Touristiker an der Markenbildung scheitern, weiß Christoph Ettlmayr vom Institute for Brand Logic: „Eine starke Marke basiert auf exzellenten Leistungen. Es reicht nicht aus, diese Leistungen bloß zu kommunizieren. Der konkrete Nutzen muss sich mit jeder Begegnung mit der Destination, dem Hotel und den Gastgebern bestätigen“, sagt der Experte. Häufig würden Touristiker viel Zeit und Geld in Strategiekonzepte investieren, dann aber an der Umsetzung scheitern. Weil Strukturen fehlen würden, Rollen unklar definiert seien oder das Projekt schlecht gemanagt werde. Außerdem mangle es oft an Mut und Disziplin, das Profil spezifisch genug auszuarbeiten.

Mit Innovationen wachsen Kontinuität ist ein wichtiger Erfolgsfaktor bei der Markenbildung. Doch der Gast möchte auch Innovation, der Markt fordert neue Produkte und Angebote. Starke Marken müssen dynamisch stabil sein, also mit der Zeit gehen und sich im Rahmen der Marke weiterentwickeln.

Wie man seiner Marke treu bleibt und sie gleichzeitig flexibel auslegt, zeigt die Hotelgruppe 25hours. Die vier Eckpfeiler der Marke: professionelle Dienstleistungen mit lässigem Touch, eine Infrastruktur mit Design-Affinität, starke Erlebnisorientierung und hohe gastronomische Kompetenz. Das Rezept? „Keine Angst vor Veränderungen. Wir passen unsere Marke laufend den Erfordernissen des Markts und der Kunden an“, erklärt Bruno Marti, Chief Brand Officer der 25hours Hotels.

»Eine starke Marke basiert auf exzellenten Leistungen. Es reicht nicht aus, diese Leistungen bloß zu kommunizieren. Der konkrete Nutzen muss sich mit jeder Begegnung mit der Destination, dem Hotel und den Gastgebern bestätigen.«

Den Standort einbeziehen 25hours Hotels betreibt derzeit zwölf Häuser in drei Ländern. Die Herausforderung: Jedes Hotel individuell zu gestalten und dennoch als internationale Marke erkennbar zu bleiben. Die Kette entwickelt für jedes Haus einen Design-Stil, der die Stadt repräsentiert. In Wien etwa ist ein buntes, lautes Hotel entstanden, dessen Zimmer nach dem Motto „Zirkus“ entworfen wurden. „Es geht um den Prater, um das Sehen und Gesehenwerden, um das Vergnügen am Feiern. Für Berlin wäre dieses Konzept nicht zurückhaltend und minimalistisch genug“, erklärt Marti.

Grundsätzlich kennt gelungene Markenbildung kein Universalrezept. Hotelgruppen wie Motel One sind mit einem standardisierten Produkt erfolgreich – das genaue Gegenteil des 25hours-Ansatzes. Wer als Marke reüssieren will, kann es nicht allen rechtmachen.

Erste Schritte zur Topmarke

Wie funktioniert der Prozess der Markenfindung in der Praxis? SalzburgerLand Tourismus hat im Jahr 2016 seine Markenstrategie inklusive Wort-Bild-Marke erneuert. Im ersten Schritt wurde in 30 regionalen Arbeitsgruppen das Potenzial der Regionen analysiert. „Uns ging es darum, die Spitzenleistungen unseres Landes zu formulieren, in denen sich auch Hoteliers, Wirte und Co wiederfinden“, erklärt Leo Bauernberger, Geschäftsführer von SalzburgerLand Tourismus. In der Liste: die Salzburger Festspiele als weltweit bekanntes Kulturfestival, die herausragendsten Skifahrer der letzten 20 Jahre oder die hohe Dichte der Almen. Darauf aufbauend wurden fünf Kernwerte für die Region identifiziert, quasi die DNS des Salzburger Landes: „mitreißend, kultiviert, leicht, ­belebend und virtuos“. Der ­da­r­aus ­abgeleitete Einwort-Wert, „virtuos“, soll jeden Kontakt mit dem Gast prägen. Entsprechend virtuos ist auch das neue Logo von SalzburgerLand Tourismus: ein handgemalter Schriftzug vom Salzburger Künstler Johann Weyringer.

„Eine Marke derart zuzuspitzen, kann einem die Haare aufstellen“, gesteht Bauernberger. Es ist ein schmerzhafter Prozess, Werte außen vor zu lassen, auf die man zurecht stolz ist. „Allerdings entsteht ohne spitzes Formulieren und Verdichten keine Kraft, die auch Gäste in Stockholm, Hamburg oder Moskau erreicht“, weiß der Marketing-Profi.

Der Lohn des häufig nervenaufreibenden Prozesses: Eine Marke, die nach außen genauso wie nach innen wirkt. Eine starke Marke bietet auch Identifikationsfläche für die Regionen, Orte und Betriebe. Erst durch die Menschen, ihre Kommunikation, ihren Service und ihre Produkte wird eine Marke für den Gast erlebbar. Daher braucht es mehr als ein Produkt, ein Logo und eine Kampagne. Marke ist, was der Gast spürt.